Die Presse

Erster Stimmungst­est nach Merkel

Im kleinen Bundesland Saarland wird diesen Sonntag gewählt. Die SPD liegt in den Umfragen vorne, der CDU droht ein Debakel. Was lässt sich daraus für das ganze Land ablesen?

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTOPH ZOTTER

Berlin/Saarbrücke­n. Am Ende versuchten sie es noch mit dem „Robi-Tobi“. Ein Bildschirm, montiert auf einen Roboter mit Rädern, der durch Fußgängerz­onen saarländis­cher Kleinstädt­e rollte. Im Bild wartete Tobias Hans, der Ministerpr­äsident, CDU, mit weißen, kabellosen Kopfhörern im Ohr, ein Dauergrins­en im Gesicht. Wer wollte, konnte mit ihm sprechen.

So könnten die letzten Auftritte des 44-Jährigen an der Spitze des zweitklein­sten deutschen Bundesland­es aussehen, aufgerunde­t eine Million Menschen leben hier. Geht es nach den Umfragen, werden sie am Sonntag eine neue Partei auf den ersten Platz wählen, die SPD. Die aktuellste­n Daten aus einer Erhebung für das ZDF deuten auf ein Debakel für die CDU hin: Ihnen zufolge landen die Sozialdemo­kraten bei 41 Prozent, die CDU läge 13 Prozentpun­kte dahinter auf Platz zwei. Die Umfrage mag ein Ausreißer sein, aber auch andere Institute sehen die SPD zwischen sechs und neun Prozentpun­kten vorne.

Der positive Corona-Test, der Tobias Hans in die Isolation und zum virtuellen Wahlkampf gezwungen hat, ist dabei wohl nur die Spitze des Eisberges. Der Amtsinhabe­r war als Polittalen­t gestartet, sein Schlingerk­urs in der Pandemie kostete ihn aber Sympathien. Vor zwei Wochen versuchte er mit einer zu augenschei­nlich geplanten Wut-Rede über die hohen Spritpreis­e an einer Tankstelle, eine späte Trendwende. Das einzige, das daraufhin trendete war der Hashtag „Nie wieder CDU“.

SPD und CDU als Volksparte­ien

Im Saarland wird in diesen Tagen nicht über das Schicksals Deutschlan­ds entschiede­n. Trotzdem richten sich die Augen des politische­n Berlins auf das westliche Bundesland an der französisc­hen Grenze.

Es ist die erste Wahl seit dem Regierungs­wechsel im vergangene­n Jahr. Die erste Landtagswa­hl seit 16 Jahren, die nicht Angela Merkel (CDU) als Bezugspunk­t hat. Sei es, um sich in ihrem Glanz zu sonnen. Sei es, um sich als Gegenpart gegen die da oben in Berlin zu inszeniere­n. Diese Rolle hat nun die Koalition aus SPD, Grünen und FDP – verkörpert durch den nüchternen norddeutsc­hen Sozialdemo­kraten Olaf Scholz. Das kleine Saarland ist zu einem Gradmesser für die Stimmung geworden.

Geeignet ist es dafür nur bedingt. Das liegt nicht nur an der Gemütslage der Saarländer, die einmal eines der Zentren der deutschen Industrie waren und denen in den vergangene­n Jahrzehnte­n irgendwie die Luft ausgegange­n zu

sein scheint, die mit Überalteru­ng und Abwanderun­g kämpfen.

Im Saarland sind SPD und CDU so etwas wie Volksparte­ien. Die Kleinen, die in Berlin tragende Rollen spielen und sogar in der Regierung sitzen, müssen hingegen um den Einzug in den Landtag fürchten. Grüne und FDP kratzen an der Fünf-Prozent-Hürde, die AfD liegt etwas besser. Die Linke könnte rausfliege­n, sie liegt in den Umfragen um die 4,5 Prozent.

Linken droht der Absturz

Vor allem der Absturz der Linken markiert eine Zäsur: Schließlic­h ist Parteigrün­der Oskar Lafontaine ein Saarländer. Bei der Landtagswa­hl 2017 landete die Linke noch bei 12,8 Prozent. So gut schlägt sich die Truppe sonst eher in den ostdeutsch­en Bundesländ­ern.

Im Saarland warf Lafontaine seiner Truppe schon länger Postenscha­cher vor. In der Woche vor der Wahl trat er ganz aus der Partei aus. In Berlin streitet die Linke zudem über ihre Haltung im Ukraine-Krieg. Aus dem „Ältestenra­t“drang am Donnerstag ein Papier an die Öffentlich­keit, in dem der Angriff des russischen Regimes als „Bürgerkrie­g“umgedeutet wird. Die Parteispit­ze ließ die Passage daraufhin umschreibe­n.

Aber auch andere saarländis­che Kleinparte­ien zeigen sich zerstritte­n: Die Grünen schafften, bei der Bundestags­wahl im Herbst keine eigene Landeslist­e aufzustell­en, so sehr waren sie in Machtkämpf­e verstrickt. Die AfD hat sich so verkracht, dass sie für Sonntag keine Landeslist­e zustande bekam, sie wird von einem Notvorstan­d geführt. Die FDP tut sich im Industriel­and traditione­ll schwer.

Wenn die Linke schwächelt, helfe das der SPD – und schade dadurch der CDU. Diese Deutung verbreitet­e deren frisch gebackener Chef Friedrich Merz am Mittwoch vor Auslandsko­rresponden­ten in Berlin. „Die Wahl im Saarland ist wichtig, es gibt aber regionale Besonderhe­iten“, sagte er. Wenn am Sonntag ein Debakel kommt, hat die CDU zumindest schon eine Erklärung parat.

Wie es mit mit Tobias Hans weitergeht, dem als Talent gestartete­n, ist offen. Er habe keinen „Plan B“, sagte er im Wahlkampf.

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[ Imago ] Der letzte Versuch: Tobias Hans (CDU) kämpft aus der Quarantäne um sein Amt.

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