Erster Stimmungstest nach Merkel
Im kleinen Bundesland Saarland wird diesen Sonntag gewählt. Die SPD liegt in den Umfragen vorne, der CDU droht ein Debakel. Was lässt sich daraus für das ganze Land ablesen?
Berlin/Saarbrücken. Am Ende versuchten sie es noch mit dem „Robi-Tobi“. Ein Bildschirm, montiert auf einen Roboter mit Rädern, der durch Fußgängerzonen saarländischer Kleinstädte rollte. Im Bild wartete Tobias Hans, der Ministerpräsident, CDU, mit weißen, kabellosen Kopfhörern im Ohr, ein Dauergrinsen im Gesicht. Wer wollte, konnte mit ihm sprechen.
So könnten die letzten Auftritte des 44-Jährigen an der Spitze des zweitkleinsten deutschen Bundeslandes aussehen, aufgerundet eine Million Menschen leben hier. Geht es nach den Umfragen, werden sie am Sonntag eine neue Partei auf den ersten Platz wählen, die SPD. Die aktuellsten Daten aus einer Erhebung für das ZDF deuten auf ein Debakel für die CDU hin: Ihnen zufolge landen die Sozialdemokraten bei 41 Prozent, die CDU läge 13 Prozentpunkte dahinter auf Platz zwei. Die Umfrage mag ein Ausreißer sein, aber auch andere Institute sehen die SPD zwischen sechs und neun Prozentpunkten vorne.
Der positive Corona-Test, der Tobias Hans in die Isolation und zum virtuellen Wahlkampf gezwungen hat, ist dabei wohl nur die Spitze des Eisberges. Der Amtsinhaber war als Polittalent gestartet, sein Schlingerkurs in der Pandemie kostete ihn aber Sympathien. Vor zwei Wochen versuchte er mit einer zu augenscheinlich geplanten Wut-Rede über die hohen Spritpreise an einer Tankstelle, eine späte Trendwende. Das einzige, das daraufhin trendete war der Hashtag „Nie wieder CDU“.
SPD und CDU als Volksparteien
Im Saarland wird in diesen Tagen nicht über das Schicksals Deutschlands entschieden. Trotzdem richten sich die Augen des politischen Berlins auf das westliche Bundesland an der französischen Grenze.
Es ist die erste Wahl seit dem Regierungswechsel im vergangenen Jahr. Die erste Landtagswahl seit 16 Jahren, die nicht Angela Merkel (CDU) als Bezugspunkt hat. Sei es, um sich in ihrem Glanz zu sonnen. Sei es, um sich als Gegenpart gegen die da oben in Berlin zu inszenieren. Diese Rolle hat nun die Koalition aus SPD, Grünen und FDP – verkörpert durch den nüchternen norddeutschen Sozialdemokraten Olaf Scholz. Das kleine Saarland ist zu einem Gradmesser für die Stimmung geworden.
Geeignet ist es dafür nur bedingt. Das liegt nicht nur an der Gemütslage der Saarländer, die einmal eines der Zentren der deutschen Industrie waren und denen in den vergangenen Jahrzehnten irgendwie die Luft ausgegangen zu
sein scheint, die mit Überalterung und Abwanderung kämpfen.
Im Saarland sind SPD und CDU so etwas wie Volksparteien. Die Kleinen, die in Berlin tragende Rollen spielen und sogar in der Regierung sitzen, müssen hingegen um den Einzug in den Landtag fürchten. Grüne und FDP kratzen an der Fünf-Prozent-Hürde, die AfD liegt etwas besser. Die Linke könnte rausfliegen, sie liegt in den Umfragen um die 4,5 Prozent.
Linken droht der Absturz
Vor allem der Absturz der Linken markiert eine Zäsur: Schließlich ist Parteigründer Oskar Lafontaine ein Saarländer. Bei der Landtagswahl 2017 landete die Linke noch bei 12,8 Prozent. So gut schlägt sich die Truppe sonst eher in den ostdeutschen Bundesländern.
Im Saarland warf Lafontaine seiner Truppe schon länger Postenschacher vor. In der Woche vor der Wahl trat er ganz aus der Partei aus. In Berlin streitet die Linke zudem über ihre Haltung im Ukraine-Krieg. Aus dem „Ältestenrat“drang am Donnerstag ein Papier an die Öffentlichkeit, in dem der Angriff des russischen Regimes als „Bürgerkrieg“umgedeutet wird. Die Parteispitze ließ die Passage daraufhin umschreiben.
Aber auch andere saarländische Kleinparteien zeigen sich zerstritten: Die Grünen schafften, bei der Bundestagswahl im Herbst keine eigene Landesliste aufzustellen, so sehr waren sie in Machtkämpfe verstrickt. Die AfD hat sich so verkracht, dass sie für Sonntag keine Landesliste zustande bekam, sie wird von einem Notvorstand geführt. Die FDP tut sich im Industrieland traditionell schwer.
Wenn die Linke schwächelt, helfe das der SPD – und schade dadurch der CDU. Diese Deutung verbreitete deren frisch gebackener Chef Friedrich Merz am Mittwoch vor Auslandskorrespondenten in Berlin. „Die Wahl im Saarland ist wichtig, es gibt aber regionale Besonderheiten“, sagte er. Wenn am Sonntag ein Debakel kommt, hat die CDU zumindest schon eine Erklärung parat.
Wie es mit mit Tobias Hans weitergeht, dem als Talent gestarteten, ist offen. Er habe keinen „Plan B“, sagte er im Wahlkampf.