Karmasin: „So mit Sebastian besprochen“
Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft nutzt Sophie Karmasins U-Haft für Befragungen und legt neue Beweismittel vor. Chats belegen, dass es intensive Abstimmung zu Ausführung und Abrechung der Umfragen gab – auch mit der Politik.
Ex-Familienministerin Sophie Karmasin hält es bei der Staatsanwaltschaft wie Ex-Finanzministeriumsgeneralsekretär Thomas Schmid: Sie schweigt eisern. Auch als ihr zuletzt in der U-Haft neue, belastende Chat-Auswertungen vorgehalten wurden. Sie ziehen Ex-Kanzler Sebastian Kurz tiefer in die Umfragenaffäre hinein. Karmasins Befragung liegt der „Presse“vor.
Erst am 15. März wurde die U-Haft von Sophie Karmasin verlängert – der Richter befürchtete, sie könnte zur Wiederholungstäterin werden. Ihre Anwälte haben dagegen Beschwerde eingelegt, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nützt derweil die Zeit, um Karmasin weiter zu befragen. Am 22. März wurde ihr Kommunikation mit der Meinungsforscherin Sabine B. vorgehalten. Zur Erinnerung: B. war Karmasins Zögling, als diese selbst noch Meinungsforscherin war. Als Karmasin dann in die Politik wechselte, vermittelte sie B. Aufträge – beim Finanzministerium und der Tageszeitung „Österreich“. Sie schnitt 20 Prozent vom Umsatz mit, obwohl sie als Ministerin ein Nebenbeschäftigungsverbot hatte.
Abrechnung
Die WKStA glaubt außerdem, dass die vom Ministerium beauftragten Umfragen mehr der ÖVP als dem Steuerzahler dienten und somit falsch abgerechnet wurden. B. hatte in ihrer Beschuldigtenvernehmung eingeräumt, parteipolitisch motivierte Fragen „angehängt“zu haben. Dazu sollen die für die Partei günstigen Umfragen mit großem Inseratenvolumen begleitet in „Österreich“ventiliert worden sein. Es wird gegen beide Frauen ermittelt sowie gegen Kurz als Bestimmungstäter, Ex-Generalsekretär Thomas Schmid und Kurz’ engstes Umfeld. Alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.
Die neuen Chats zeigen, dass B. und Karmasin immer wieder diskutierten, wer was wo abrechnen sollte. Da schreibt etwa B. am 2. Jänner 2017: „Ja, kenn mich aus. Soll ich dir Entwurf schicken? Und von wem gibt’s die Kohle? TS?“(Anm. Thomas Schmid). Karmasin schreibt darauf: „Ja erst mir, Ö von TS“. Ob mit Ö – die Tageszeitung „Österreich“gemeint ist, will Karmasin auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft nicht beantworten. Im September 2019 schreibt S. an Karmasin: „Lass uns auch vor Mo nochmal wg. Betrugsbekämpfung und Abrechnung reden“.
Intensive Abstimmungen
Die Frauen besprachen sich ausführlich mit Thomas Schmid. Laut Chat-Auswertungen war er recht intensiv in die Abstimmung der Umfragen involviert. Einmal schreibt Karmasin an B. „Bitte SMS an F (Anm. vermutlich Fellner), Tom ist nervös.“Ein anderes Mal erkundigt sich Karmasin bei Schmid: „Hast du mit Fellners wegen Abfolge Umfragen gesprochen?“
Auch Kurz soll – so die Interpretation der Staatsanwaltschaft – in die Abwicklung der „Studien“involviert gewesen sein. Im Zeitraum von 30. Mai bis 2. Juni 2017 wurde etwa eine Befragung zum Thema SPÖ und Koalitionen der SPÖ durchgeführt. Die Abrechnung erfolgte aber über die vom Finanzministerium beauftragte Studie „Wirtschafts- und Budgetpolitik“, die insgesamt 156.000 Euro gekostet hat. Karmasin fragt B: „Hast du mit Thomas gesprochen?“B. darauf: „Nein hat sich nicht gemeldet“. Karmasin: „Infos direkt an Gerald Fleischmann (Anm. Kurz-Intimus und langjähriger Wegbegleiter), ruf ihn an, so mit Sebastian besprochen“. Später fragt Karmasin nach, ob „alles erledigt sei“. B: „Telefoniert und geschickt. Er meinte, melde sich später mit Feedback dazu.“
Kurz sagt stets, dass er B. nicht kenne – und die bestätigte das bei ihrer Einvernahme. Dennoch glaubt die WKStA, dass Kurz andere zu diesen Taten bestimmt haben soll. Karmasin wird hier als Schlüsselperson und Vermittlerin betrachtet. Sie wollte Fragen der WKStA, was und ob sie mit Kurz bezüglich der Umfragen gesprochen hat, nicht beantworten.
In eigener Sache
Auch Rainer Nowak – Chefredakteur der „Presse“– kommt in den Chats vor. Weil der „Presse“Transparenz ein großes Anliegen ist, wird das selbstverständlich berichtet. Am 27. Juni 2016 gab es einen gemeinsamen Termin zwischen Schmid, Karmasin und Nowak. Am 21. Juli schreibt Karmasin an Schmid: „Die Studie für RN ist fertig, er hat sich nie gemeldet ob er was erreichen konnte, magst Du ihn anrufen?“LG Sophie. Einige Tage später: „Hast was von Novak erfahren? Was tun mit den Ergebnissen? Wen anderen fragen? Lg Sophie“. Schmid bestätigt wieder einen Tag später, dass sich „Rainer“gemeldet habe und dass es laufen sollte. Es gab auch im August 2018 einen Termin zwischen Nowak und Beinschab – der zuerst verschoben wurde. Dann schreibt B. an Karmasin: „Komischer Termin. Sehr schnell, hat keine Fragen gestellt, nur dass er mein Lobbyist ist, gesagt. (?) Er will mich allen Chefredakteuren vorstellen. Will größere Fallzahlen.“
Nowak sagt dazu: „Dass man sich als Chefredakteur/Journalist mit Politikern und Meinungsforschern trifft, ist Teil der Jobdescription. Ich bin sicher, dass ich das Redaktionsgeheimnis wahre, wenn ich in diesem Zusammenhang festhalte, dass ich ausschließlich im Sinne der Unabhängigkeit der ,Presse‘ und der guten Information unserer Leserinnen lobbyiere – und nicht für eine Meinungsforscherin.“In der „Presse“, speziell dem Innenpolitik-Ressort, werde mit Umfragen immer sehr zurückhaltend umgegangen, sie erschienen zumeist nur in kurzen Meldungen.