Die Bundesheer-Zahlen stammen aus dem Kanzleramt
Sicherheit. Soll das Heer 1,5 Prozent des BIPs ab 2027 bekommen? Darüber hatte Klaudia Tanner angeblich im Parlament gesprochen. Sie dementierte.
Wien. Am Donnerstagabend machte David Stögmüller, Wehrsprecher der Grünen, seinem Ärger am Rednerpult des Parlaments Luft. Der Grund für seinen Unmut saß wenige Meter rechts von ihm auf der Regierungsbank. „Frau Ministerin, so gehen wir nicht mit dem Bundesheer um. Das irritiert mich sehr“, sagte er in Richtung von Klaudia Tanner (ÖVP). Und weiter: „Es werden heute Zahlen von einem Mitarbeiter der Regierung präsentiert, die komplett erfunden sind. Und das, obwohl Sie uns gesagt haben, dass das nicht vom Koalitionspartner kommt.“
Wenige Stunden vorher hatten der „Kurier“und die „Krone“über ein großes Budgetplus für das Heer berichtet. Tanner habe den Wehrsprechern bei einem geheimen Treffen im Parlament von ihren Plänen berichtet, hieß es: In einen eigenen „Neutralitätsfonds“sollten in den nächsten zehn Jahren rund zehn Milliarden Euro für Investitionen
fließen. Zusätzlich sollte das Budget ab 2027 dann 1,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes ausmachen. Jetzt sind es 0,6 Prozent.
Wehrsprecher widersprechen
Ein Treffen fand tatsächlich statt, bloß: Von diesem angeblichen Paket war keine Rede. Im Gegenteil – die Wehrsprecher von SPÖ, FPÖ, Neos und den Grünen bestätigten der „Presse“, dass Tanner bei dem Termin explizit nicht über Zahlen sprechen wollte. Es gab aber einen breiten Konsens darüber, dass das Heer mehr Mittel brauche. Darauf hatten sich die Parteien schon bei einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats geeinigt.
Das Parlament, vor allem der Koalitionspartner im Parlament, reagierte also empört auf die Meldung. Zuerst hieß es am Donnerstag aus dem Verteidigungsministerium, die Zahlen würden nicht von ihnen stammen. Dann versuchte Tanner, vor Medien zu beschwichtigen: Die zehn Milliarden Euro beziehungsweise die 1,5 Prozent des BIPs kämen von Generalstabschef Robert Brieger. Und: „Als Verteidigungsministerin stehe ich da vollinhaltlich dahinter.“Brieger war bei dem Treffen mit den Wehrsprechern zwar auch dabei, allerdings nur virtuell zugeschaltet – aus dem Urlaub.
„Nie da gewesenes Budget“
Die Medieninformation, die am Donnerstag verschickt wurde, liegt mittlerweile auch der „Presse“vor. Sie stammt allerdings weder von Brieger noch von Tanner – sondern von einem Mitarbeiter aus dem Bundeskanzleramt. „Mit dem Neutralitätspaket will Klaudia Tanner ein nie da gewesenes Budget erreichen“, ist dort nachzulesen.
Es wird vermutet, dass die ÖVP mit den Medienberichten den Druck auf den Koalitionspartner erhöhen wollte. Denn bisher sind die Verhandlungen über ein Budgetplus beim Heer nicht gestartet. Die Volkspartei sorgt sich wohl, dass die – nicht gerade militäraffinen – Grünen ihre Pläne bremsen könnten. Das Kanzleramt wollte es auf Nachfrage der „Presse“nicht kommentieren.
Freitagfrüh wurde Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Ö1-„Morgenjournal“auf das Thema angesprochen. Ob die zehn Milliarden Euro und die 1,5 Prozent des BIPs zwischen ihm und Tanner abgesprochen seien? „Ich war bei dem Gespräch nicht dabei und kenne auch keine Berechnungen im Detail“, sagte Nehammer. „Die Verteidigungsministerin wird die Zahlen besser im Kopf haben als ich. Ich bin der Bundeskanzler, entscheidend ist der Budgetpfad.“
Das Vorgehen im Kanzleramt wollte man am Freitag im Verteidigungsministerium nicht kommentieren. „Es ging bei dem Gespräch mit den Wehrsprechern nie um Zahlen, sondern darum, was das Bundesheer jetzt braucht.“Eine Zahl, die Brieger aber grundsätzlich als Möglichkeit genannt hatte, waren die 1,5 Prozent des BIPs – in Anlehnung an die Debatten auf EU-Ebene über höhere Militärausgaben. Dass Tanner sich grundsätzlich zehn Milliarden Euro Inverstitionsbudget für die nächsten zehn Jahre wünsche, habe sie allerdings schon kommuniziert.
Tanner will beschwichtigen
Am Donnerstagabend im Nationalrat dankte Tanner den Wehrsprechern ausdrücklich für den Termin am Vormittag. Und meinte beschwichtigend: „Jetzt geht es darum, dass wir uns nicht unterhalten, was der ein oder andere in diesen Stunden gesagt, getan oder geschrieben hat. Unsere Aufgabe kann es nur sein, dass wir für die Sicherheit in Österreich sorgen.“
Es liege nun an Tanner, das Vertrauen unter den Wehrsprechern wieder herzustellen, sagt Stögmüller. Und Douglas Hoyos von den Neos findet: Die Sache sei unglücklich gelaufen, aber: „Ich würde das jetzt abhaken, Hickhack bringt uns nicht weiter.“Jetzt müssten die Gespräche ernsthaft beginnen.