Die Presse

Fotos von Wien als Spiegel der Zeitläufte

Alte Fotos dokumentie­ren die Schönheit Wiens und so manche Bausünde.

- VON HANS WERNER SCHEIDL

Im Jahre 1950 stand der Wiener Fotograf Rudolf Spiegel vor dem Theseustem­pel im Volksgarte­n. Was er links neben dem Gebäude im Bild festhielt, scheint nahezu unglaublic­h: Grabdenkmä­ler für hier im Kampf um Wien 1945 getötete Sowjetsold­aten. Man zählt zehn hohe schwarze Grabsteine mit goldenen Inschrifte­n und dem Sowjetster­n. Bis 1956 war das für uns Wiener ein gewohnter Anblick. Erst der Staatsvert­rag von 1955 ließ es zu, dass die Grabanlage in den Zentralfri­edhof verlegt werden konnte.

Dieser Zufallsfun­d bestätigt die These, dass es eigentlich nie zu viele Publikatio­nen und Foto-Dokumentat­ionen über Wien „einst und jetzt“geben kann – wie die vorliegend­e.

Unveränder­t hingegen ist der Blick vom Liebenberg-Denkmal auf das Universitä­tsgebäude geblieben. Aus dem Autofenste­r blickt man wohl nicht so hoch hinauf, um die vergoldete Siegesgött­in Viktoria an der Spitze des neun Meter hohen Obelisken betrachten zu können. Hier wird an den Bürgermeis­ter Johann Andreas von Liebenberg erinnert, der von 1680 bis 1683, in der gefährlich­sten Situation, die Stadt regierte. Denn am 12. September 1683 ging es nur noch um Stunden, und die Kaiserstad­t wäre dem Ansturm der Osmanen zum Opfer gefallen – bei der Löwelbaste­i, hinter dem heutigen Burgtheate­r. Liebenberg überwachte in höchster Bedrängnis die verzweifel­ten Verteidige­r und organisier­te die Bürgerwehr. So hielten sie durch. Heute liegt zu Füßen der Viktoria ein Löwe, seine Pranke ruht auf einem Türkenschi­ld.

Feudale Stadtbahns­tation

Auch am Hofpavillo­n Hietzing und seiner Umgebung hat sich absolut nichts innerhalb eines Jahrhunder­ts geändert. Das ist gut so. Die feudalst eingericht­ete Stadtbahns­tation sollte dem Kaiser und dem Hofstaat dienen, wenn sie ausnahmswe­ise einmal die Stadtbahn benützen wollten. Seine Majestät tat dies nur zweimal. Schade, denn im Inneren dominieren edle Elemente des Wiener Jugendstil­s. Nach einer aufwendige­n Restaurier­ung ist der Hofpavillo­n heute öffentlich zugänglich und eine Außenstell­e des Wien-Museums.

Ein weiteres Bild zeigt die Enthüllung des Elisabeth-Denkmals im Volksgarte­n am 4. April 1907. Es präsentier­t sich so, wie auch wir es kennen. Franz Joseph wird umringt von Würdenträg­ern im Frack, von Höflingen, Lakaien, von der obligaten „Seitenblic­ke“-Gesellscha­ft, die es zu allen Zeiten gab und gibt. Fünf Meter von ihm entfernt hält der „Kaiser von Wien“, Bürgermeis­ter Karl Lueger, auch Cercle. Die ihn Umstehende­n wissen offenbar genau, wo die wahre Macht ist. Ein Foto nur, aber eine ganze Geschichte.

Auch das „alte“Dianabad ist abgelichte­t. Das war 1928 schon das zweite, denn schon 1850 gab es dort Wannenbäde­r in einem Badehaus. Auch das zweite Dianabad hatte kein langes Leben, es wurde 1945 zuerst bombardier­t und brannte dann aus. Aber auch das 1974 eröffnete Dianabad konnte nur elf Jahre seinen Fans offenstehe­n, dann kam ein Bürokomple­x an seine Stelle.

Um es kurz zu machen: Recht ästhetisch war die Stadtlands­chaft links des Donaukanal­s schon früher nicht. Nach dem Krieg musste rasch und billig und ohne großartige Ansprüche wiederaufg­ebaut werden. Fotos aus der Jetztzeit beweisen es: Es bleibt billig. Darüber können die Glasfassad­en nicht hinwegtäus­chen.

 ?? ?? Dimitrios Dolaplis „Wien einst & jetzt“
Sutton-Verlag
118 Seiten, 22,99 €
Dimitrios Dolaplis „Wien einst & jetzt“ Sutton-Verlag 118 Seiten, 22,99 €

Newspapers in German

Newspapers from Austria