Eine viel strapazierte Freundschaft
Krim-Annexion, Wirecard-Skandal, FPÖ-Lastigkeit: Die Österreichisch-Russische Freundschaftsgesellschaft hatte es nicht immer leicht. Der Ukraine-Krieg hilft auch nicht gerade.
Es sind turbulente Zeiten – auch für die ÖsterreichischRussische Freundschaftsgesellschaft. Dem Verein sind gute Kontakte zwischen österreichischen und russischen Wirtschaftsund Kulturtreibenden ein Anliegen, doch die Freundschaft wird einigermaßen strapaziert: In der Ukraine tobt seit einem Monat ein unerbittlicher Krieg. Was also tun? In der Freundschaftsgesellschaft herrscht Ratlosigkeit. Sollte man etwa den Namen ändern? Vor rund drei Wochen wurde diese Frage tatsächlich in einer Vorstandssitzung beraten. Doch die Idee wurde wieder verworfen. Postwendend kehrten 15 Mitglieder der Freundschaftsgesellschaft den Rücken. Und jetzt? Auf der Website wird der „russische Angriffskrieg auf das Schärfste“verurteilt. Das war’s vorerst aber auch schon, die Devise lautet nunmehr: stillhalten. Der zweite russlandaffine Verein, das Forum ÖsterreichRussland, hat seine Aktivitäten immerhin ganz offiziell ruhend gestellt. Zwei Vereine? So ist es. Denn die Freundschaftsgesellschaft hat über die Jahre mit so einigen Herausforderungen zu kämpfen gehabt.
Die höchst wechselhafte Geschichte geht eigentlich auf die österreichisch-sowjetische Gesellschaft zurück, die allerdings 1991, nach dem Zerfall der Sowjetunion, aufgelöst wurde. Doch offenbar gab es nicht wenige, die dem Grundgedanken der Gesellschaft nachtrauerten: nämlich den wirtschaftlichen und kulturellen Austausch beider Länder zu pflegen und die eine oder andere Reise nach Russland zu unternehmen. Zwecks Kontaktpflege. Neun Jahre später, im Jahr 2000, ward also die Österreichisch-Russische Freundschaftsgesellschaft geboren, Geburtshelfer war Unternehmer Florian
Stermann.
Er muss so etwas wie einen Nerv getroffen haben, denn die Freundschaftsgesellschaft erfreute sich vieler Freunde, auch mit durchaus schillernden Namen. Aber bleiben wir bei jenen, die dort das Amt des Präsidenten innehatten: Noch als ÖVP-Innenminister übernahm Ernst Strasser 2003 – es gehe ihm um den „Ausbau der bilateralen Beziehungen“, gab er damals zu Protokoll. Nach seiner Verwicklung in eine Bestechungsaffäre im Europaparlament trat er Anfang 2011 zurück, es übernahm der damalige Chef der Raiffeisenlandesbank OÖ, Ludwig Scharinger. Und als der mittlerweile Verstorbene krankheitsbedingt zurücklegte, war die Zeit von Ex-OMV-Chef Richard Schenz gekommen. Das war 2015.
Viele Wirtschaftstreibende wollen mit der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft neuerdings nicht mehr in Zusammenhang gebracht werden, doch Schenz steht dazu: „Russland wurde damals unter seinem Wert geschlagen“, sagt er, und außerdem schätze er die vielen Russen, die er in seiner Zeit als OMV-Chef kennengelernt hat, sehr. „Man sollte auch zu entfernten Nachbarn gute Beziehungen haben“, und Russland sei für Österreich ein immens wichtiger Wirtschaftspartner gewesen. Außerdem: Es gebe etliche bilaterale Gesellschaften in Österreich – etwa mit China, den Vereinigten Arabischen Emiraten etc. – „warum nicht auch mit Russland?“
Da hat er recht. Und der Fall des Eisernen Vorhangs hat zweifellos zum österreichischen Wohlstand beigetragen. Der ein oder andere Wirtschafstreibende war von der Idee regelrecht beseelt, Russland könne in den Handelsbeziehungen für Österreich eine ähnliche Rolle wie Deutschland einnehmen. Denn umgekehrt hatten auch die Russen ein Faible für Österreich und Wien ganz speziell, „weil Wien auch slawisch geprägt ist“, erklärt Schenz.
Und so erfreute sich die Freundschaftsgesellschaft regen Zulaufs. Hunderte Mitglieder gab es, aller politischen Couleur querbeet. Mit rund 100 Euro Jahresbeitrag ist man mit dabei, Konzerne aus diversen Branchen finanzierten mit maximalen Jahresbeiträgen in Höhe von 10.000 Euro. Es gab Ferienbesuche von Jugendlichen in Russland, auch wurden regelmäßig einwöchige Reisen zum „entfernten Nachbarn“organisiert. Dort wurden Firmen besucht und Kontakte geschaffen. Und einmal im Monat wurden „Prominente“eingeladen, Vorträge im Festsaal des Kaiserhauses in der Wiener Wallnerstraße zu halten.
Schön hätte es also sein können, hätte es intern nicht immer wieder Brösel gegeben. Da war die Annexion der Krim 2014, die unter den Freunden schon einmal zu heftigen Diskussionen führte. Und als Schenz 2015 übernahm, machte sich innerhalb der Gesellschaft bei den Mitgliedern auch ein gewisser Drall in Richtung FPÖ bemerkbar – was auch nicht allen behagte. Aber zum Bruch kam es dann 2020, als der Wirecard-Skandal aufflog.
Ja, in den Jahren davor war man noch ganz selig über die Mitgliedschaft von Wirecard-Chef Markus Braun und dessen Vorstandskollegen Jan Marsalek gewesen – Florian Stermann, Generalsekretär der Freundschaftsgesellschaft, soll auch immens gute Kontakte vor allem zu Marsalek gehabt haben. Schenz schildert das rückblickend so: „Als Präsident habe ich darauf gedrängt, dass Stermann sein Amt ruhend stellt, bis sich alles aufgeklärt hat, und er hat es mir auch zugesagt.“Dann, im September 2020, kam es zur Generalversammlung. Schenz: „Üblicherweise war sie recht spärlich besucht, aber an dem Tag waren wohl viele zusammengetrommelt worden.“Das Ende der Geschichte: Das Präsidium rund um Schenz und Christoph Matznetter wurde „auf die Straße gesetzt“(Schenz). Präsident wurde Maximilian Habsburg-Lothringen, Generalsekretär wurde Rechtsanwalt Markus Stender. Beide waren übrigens für die „Presse“nicht erreichbar.
Und jetzt kommt Verein Numero zwei ins Spiel. Im Herbst 2021 wurde das Forum Österreich-Russland gegründet, dort ist jetzt Schenz Präsident und Matznetter sein Vize. Zwei Abende zum Thema „Russland nach den Wahlen“und „Die wirtschaftliche Situation Russlands“wurden im Herbst in der Diplomatischen Akademie veranstaltet, ebenfalls unter regem Besucherandrang. Das Forum ist eine Art Sammelbecken für frustrierte Ex-Mitglieder der Freundschaftsgesellschaft. Und deren gab es wohl nicht wenige: Fördernde Mitglieder wie der Baukonzern Strabag, der Papierkonzern Mondi, der Kristallkonzern Swarco oder der Energiekonzern OMV hatten der Freundschaftsgesellschaft 2020 den Rücken gekehrt.
Zwei Russland zugeneigte Vereine also, protokollarisches Tohuwabohu inklusive. Der russische Botschafter in Wien, Dmitri Ljubinksi, löste es freilich salomonisch: Ihm sollen beide recht sein. Das neue Forum betrachte er als mit politischen Aufgaben bedachten Verein, teilte er im Vorjahr mit. Die Freundschaftsgesellschaft solle den kulturellen und wirtschaftlichen Part übernehmen. Dies ist vermutlich auch den höchst unterschiedlichen Verhältnissen der beiden Vereine geschuldet: Das neue Forum zählt laut Schenz „30 bis 50“Mitglieder, die Freundschaftsgesellschaft über 300. Wobei Letztere sehr darum bemüht ist, neue zu akquirieren – vor allem außerhalb des FPÖ-Freundeskreises. Man legt ja auf Überparteilichkeit großen Wert.
Das Forum wiederum hat seine Aktivitäten derzeit ruhend gestellt. Schenz: „Es würde in Zeiten wie diesen auch keinen Sinn haben, aktiv um Mitglieder zu werben.“Er und seine Mitglieder seien „sehr enttäuscht über die russische Aktion“. Und: „Besser, wir tauchen unter, bis bessere Zeiten kommen.“