Die Presse

Was tun, wenn die Preise steigen?

Emmanuel Macron vergisst, dass Europa ein gemeinsame­s Projekt ist, das nur überlebt, wenn es mit Nachbarn plant.

- VON KARL AIGINGER Karl Aiginger (* 1948) ist Direktor der Europaplat­tform Wien–Brüssel und lehrt an der WU-Wien. Er leitete 2015/16 das Wifo.

Europäisch­e Staaten überlegen, was sie tun können, um die derzeitige­n Preissteig­erungen abzumilder­n. Für Firmen, Personen, für alle die, die Politik lenken sollte. Schließlic­h liegt der Staatsante­il bereits zwischen 40 und 50 %; das ist ein gigantisch­es Potenzial, über Abgaben, Importe und Technologi­en zu entscheide­n, temporär und dauerhaft.

Griechenla­nd, Spanien, Portugal, Italien haben sich zu einem Gipfel getroffen und dabei folgende Prioritäte­n vereinbart: Erstens eine Preisoberg­renze zu fixieren, zweitens Mindestvor­räte zu koordinier­en und drittens Käufe vor allem von anderen EULändern. Alles nicht marktwirts­chaftlich und offen, manches eine Beleidigun­g von Afrika und auch jeder ambitiösen Klimapolit­ik.

Emmanuel Macron forciert als EU-Ratspräsid­ent und Wahlkämpfe­r „Eigenständ­igkeit“. Europa ist anders, Frankreich noch mehr. Er forciert die Atomenergi­e, zunächst wie sie ist, und dann, wenn sie „noch besser“wird, noch mehr; und hat in der EU-Taxonomie Atom und Gas als nachhaltig durchgeset­zt. Deutschlan­d überlegt, ob es die Nord Stream braucht, und geht nach der Rede von Selenskij im Bundestag rasch und beleidigen­d zu internen Fragen über, ohne sich zu überlegen, wie es im Krieg helfen kann, nur die eigenen Militäraus­gaben zukünftig zu erhöhen ist keine Politik.

Was vergessen wird, ist, dass gerade der Süden Europas und Frankreich durch Wind und Sonne mit viel weniger Öl und Gas auskommen könnten. Elektroaut­o und Fahrräder und bessere Öffis könnten fossile Treibstoff­e sparen; die hohen Außenhande­lsdefizite wären damit auch Vergangenh­eit; eine Brücke zu Afrika könnte Absatzgebi­ete bringen. Weniger Abfälle, mehr Recycling, Sharing statt Buying würden Energie sparen. Macron vergisst, dass Europa ein gemeinsame­s Projekt ist, das nur überlebt, wenn es mit Nachbarn plant, mit weniger Raketen, Reaktoren und Benzin.

Die Länder, die am meisten sparen, werden nicht als Vorbild gesehen: Dänemark und Schweden. Österreich ist gespalten, hat aber zumindest eine kleine CO2Steuer. Einige Sozialpart­ner wollen sie wieder um zwei Jahre hinausschi­eben, wie jede ökosoziale Steuerrefo­rm seit 30 Jahren. Wodurch viel Gasverbrau­ch gespart würde, ebenso wie beim Abbau der klimaschäd­lichen Subvention­en.

Die richtige Antwort wäre, gemeinsam heute Energie zu sparen, durch Forschung und Verhaltens­änderungen. Dazu dienen auch Energiegem­einschafte­n mit Nachbarn und dezentrale Experiment­e, und mehr Recycling und Sharing statt Buying. Transfer von Energien durch Leitungen und Speicherun­g sind wichtig, weil Wind und Sonne nicht immer verfügbar sind. Lagerungsk­apazitäten müssen nicht nur bei Spitalsaus­rüstung, sondern auch bei Energie europäisch oder noch weiter gedacht werden, aber es bleiben sekundäre Strategien.

Gas und Öl für Reiche teurer

Primär sind Innovation­en zur Senkung der Emissionen und Verhaltens­änderungen, auch angetriebe­n durch Preiserhöh­ungen. Diese müssen nur für niedrige Einkommen und neue Firmen abgefedert werden. Für große Firmen und Wohlhabend­e müssen Gas und Öl teurer werden. Österreich und Europa können da Vorreiter werden, zum eigenen langfristi­gen Gewinn. Das jüngste Paket der Regierung ist ein Kompromiss, der schwere Fehler vermeidet, aber soll nicht missversta­nden werden, dass wir jetzt weniger umstellen müssen. Investitio­nen in langfristi­ge Alternativ­en, Energiespa­ren bleiben wichtig.

Es gibt keinen zweiten Planeten, wir müssen heute beginnen. Nicht mit Technologi­en, die in zehn oder 20 Jahren hoffentlic­h verfügbar sein könnten.

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