Wenn der Staat mit Geldscheinen vor der Nase der Wähler fuchtelt
Es musste schnell gehen, weshalb das Entlastungspaket der Koalition zu seltener Übereinstimmung von Wirtschaftsexperte und ÖGB-Boss führt: Es fehlt Treffsicherheit.
Wenn ÖGB-Chef Wolfgang Katzian und der Chef der Agenda Austria, Franz Schellhorn – zumindest in Teilen – einer Meinung sind, dann sollte für die schwarz-grüne Regierung Feuer am Dach sein. Wenn die Koalition wieder einmal an einem Sonntag Neuerungen verkündet, dann sollte das wohl dem staunenden Volk unermüdlichen Einsatz signalisieren. Wenn Infrastrukturministerin Leonore Gewessler von den Grünen, entgegen der bisherigen Politik ihrer Partei, Vergünstigung für Autofahren und Unterstützung für Besserverdienende via Pendlerpauschale bejubelt, ist das ein klassischer Fall von: Was geht mich mein Geschwätz von gestern an.
Im Grunde aber ist die Koalition unter ÖVP-Führung mit dem jüngsten Entlastungspaket ihrem Grundsatz in der Politik seit 2017 treu geblieben: Die Ankündigung eines Vorhabens muss wirken; die Hoffnung auf die Vergesslichkeit der Klienten aufrechtbleiben. Auch jene auf ihre Unaufmerksamkeit. Sie sollen nicht merken, dass sie sich einen Gutteil der angeblichen Entlastung selbst bezahlen. Ob es sich nun, wie Schellhorn meint, um „übelsten Aktionismus“handelt oder wie Schellhorn und Katzian unisono meinen, eben wieder nicht gezielt die Ärmsten, die mit niedrigem Einkommen, unterstützt; oder ob es sich, wie SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner urteilte, um eine „planlose, hilflose, willenlose“Aktion handelte – der Eindruck bleibt: Hier wurde wieder schnell, schnell etwas wenig Durchdachtes auf den Weg gebracht.
Wie wäre es sonst zu erklären, dass ein Pendler mit besserem Einkommen mit 800 Euro bei dem Pauschale profitiert, jener mit niedrigerem Verdienst weit weniger? Wieso wird das Pendlerpauschale auch für jene erhöht, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren könnten, Frau Gewessler? Oder warum werden Betriebe mit 120 Millionen Euro Treibstoffrückvergütung gesegnet? Weil es eben „kostet, was es wolle“? Man könnte auch einen anderen Gemeinplatz bemühen: Woher (das Geld) nehmen, wenn nicht – später wieder aus den Taschen
der Steuerzahler? Mit Geldverteilung hatte schon Jörg Haider seine Klientel hinters Licht geführt. Statt den Wählern Sand in die Augen zu streuen, fuchtelt man eben mit Euroscheinen vor ihren Nasen herum. Und die wirklich Bedürftigen haben wieder das Nachsehen.
Wie so oft im politischen Geschehen in Österreich – jetzt besonders auffällig in der Gesundheitspolitik – passen manche Dinge auch in der Füllhorn-Politik dieses Entlastungspakets nicht zusammen. Mit 150 Millionen soll der öffentliche Verkehr, der Ausbau der Infrastruktur, gefördert werden. Erstens würde der Ausbau Jahre dauern, zweitens ist bei den Öffis von „Angebotserweiterung“die Rede, während die Wiener Linien wegen CoronaPersonalmangels ihre Fahrten reduzieren müssen. Mit größeren Intervallen den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel attraktiver zu machen, entbehrt offenbar nicht einer gewissen politischen Logik. Nur welcher? Auch die Verbilligung der Fahrten mit diesen wird nicht konkret dargestellt. Vielleicht könnte man sich an dem vormals so bewunderten Neuseeland ein Beispiel nehmen: Reduktion der Fahrpreise um 50 Prozent für drei Monate, danach Evaluierung der Auswirkungen.
Interessant scheint die Tatsache, dass in Österreich völlig ausgespart wurde, was anderswo sehr wohl gegen die Inflation eingesetzt wird: eine Reduktion der Mehrwertsteuer und Mineralölsteuer. Der Staat fürchtet offenbar Mindereinnahmen, die seiner Spendierfreudigkeit schaden könnten.
Interessant auch, dass nie in Erwägung gezogen wurde, die Kaufkraft der Pflichtmitglieder der Kammern zu stärken. Eine Reduktion der Zwangsbeiträge der Arbeiterkammer käme den Arbeitnehmern zugute; jener der Wirtschaftskammer könnte zur Belebung der Wirtschaft durch Unternehmer und Selbstständige führen, der Ärztekammer zu . . . und so weiter und so fort.
Im Verbändestaat Österreich wäre allerdings Feuer am Dach.
In Österreich wurde ausgespart, was anderswo gegen Inflation eingesetzt wird: die Reduktion von Mehrwertsteuer und Mineralölsteuer.