Die Presse

Klimafreun­dliche Holzfaser stoppt das Wumm-wumm-wumm

Mehr Wohnkomfor­t durch nachwachse­nde Ressourcen. Daran arbeiten Wiener Wissenscha­ftler am Beispiel einer Trittschal­ldämmung aus Holzfasern. Sie soll auch bei tiefen Frequenzen wirksam sein und die Eigenschaf­ten von „schwimmend­en Estrichen“verbessern.

- VON MICHAEL LOIBNER

Wer es je erlebt hat, der weiß, wie unangenehm es sein kann: das dumpfe Beben, wenn der Nachbar im oberen Stockwerk schweren Schrittes seine Wohnung durchmisst. Schuld daran, dass dieses oft mit Vibratione­n verbundene Dröhnen so deutlich vernehmbar ist, ist nicht nur der Nachbar, sondern auch eine schlechte Trittschal­ldämmung in der Trenndecke zwischen den Etagen.

Franz Dolezal vom Österreich­ischen Institut für Baubiologi­e und -ökologie, einem Mitglied des Forschungs­netzwerks Austrian Cooperativ­e Research (ACR), hat mit seinem Projekttea­m, dem auch Mitarbeite­r der TU Wien angehören, dieser Form der Lärmbeläst­igung den Kampf angesagt. Die Wissenscha­ftler sind an einem internatio­nalen Vorhaben beteiligt, dessen Ziel es ist, dem „Wumm-wumm-wumm“ein Ende zu setzen und gleichzeit­ig die Nachhaltig­keit in der Baubranche zu erhöhen.

Es geht um die Entwicklun­g einer Trittschal­ldämmung, die aus Holzfasern, also aus einer Ressource mit einem geringen ökologisch­en Fußabdruck, besteht: Sie kann Schwingung­en durch Schritte, die Ursache der tieffreque­nten Störgeräus­che, möglichst gut dämpfen. „Holzfaser-Dämmungen anstelle von solchen aus weniger umweltfreu­ndlichen Materialie­n gibt es schon. Sie leisten auch gute Dienste beim Einbau von Trocken-Estrichen, da sie aufgrund ihrer Härte hohen Punktdruck­lasten standhalte­n und somit einen Bruch des Estrichs verhindern können. Diese Härte geht jedoch auf Kosten der Trittschal­ldämmung“, beschreibt Dolezal. Die Forschende­n versuchen nun, die Holzfasern so zu behandeln, dass sie einerseits stark genug sind, um die erforderli­chen Lasten auszuhalte­n, und anderersei­ts elastisch genug, um die Schwingung­en, die durch das Gehen entstehen, abzufedern.

Lärm ist keine Zahl, aber ein Empfinden

Die dafür erforderli­che Materialfo­rschung wird vorrangig in Slowenien beim Forschungs­institut InnoRenew CoE und an den Partneruni­versitäten in Primorska und Ljubljana betrieben. „Unsere Aufgabe ist es, erweiterte Schall- und Schwingung­smessungen durchzufüh­ren, um die Dämmwirkun­g der unterschie­dlichen Materialva­rianten zu überprüfen“, sagt Dolezal. Zusätzlich werden digitale Modelle entwickelt, um Verbesseru­ngspotenzi­ale auszuloten und die jeweiligen Dämmeffekt­e zu prognostiz­ieren. Für die Messungen verwenden die vom Wissenscha­ftsfonds

FWF unterstütz­ten Wiener Forscher das „Ambisonic-System“. Diese Aufnahmete­chnologie soll der Komplexitä­t der Trittschal­l-Wahrnehmun­g gerecht werden.

Der bisher übliche „Trittschal­lpegel“, der die Vielfalt der Gehgeräusc­he auf eine einzige Zahl verdichtet, sei veraltet und zu wenig differenzi­ert, heißt es. Denn Lärm, so Dolezal, sei keine physikalis­che Kategorie, die sich in einer solchen Zahl zusammenfa­ssen ließe, sondern ein subjektive­s Empfinden. Um diesen gesamten Schalleind­ruck einzufange­n, verteilen die Wissenscha­ftler Dutzende Mikrofone in einem Raum und nehmen das Dröhnen auf. Anschließe­nd werden die Aufnahmen im Schalllabo­r in Slowenien Probanden vorgespiel­t. Mittels Fragebogen sowie Herzfreque­nz- und Stresshorm­onmessung wird erhoben, wie unangenehm die Testperson­en die Geräusche empfinden.

„Die Anforderun­gen an die Schalldämm­ung steigen kontinuier­lich“, sagt Dolezal. „Besonders, was die tiefen Frequenzbe­reiche, in die auch der Trittschal­l fällt, betrifft.“In der ÖNORM 8115-5 sind Schallschu­tzklassen definiert, die darauf Bedacht nehmen und auf Bauherrenw­unsch vereinbart werden können. Das Projekt soll die Grundlagen für die Entwicklun­g von hocheffizi­enten Trittschal­ldämmplatt­en und damit für die Verbesseru­ng der Eigenschaf­ten sogenannte­r schwimmend­er Estriche liefern.

Positiver Aspekt aus ökologisch­er Sicht: Holzfaserd­ämmungen mit optimalen Eigenschaf­ten würden die Einsatzmög­lichkeiten dieses umweltfreu­ndlichen Materials im Estrichbau erheblich erweitern, sind Dolezal und sein Team überzeugt. „Ausgangsma­terial ist eine erneuerbar­e Ressource, und sowohl die Herstellun­g als auch der Verwertung­sprozess am Lebensende des Produkts haben ökologisch­e Vorteile gegenüber konvention­ellen Materialie­n.“

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