Die Schöne & das Biest
sen Karst-Eilande wichtige strategische Außenposten für die Hafenstadt mit ihrem steten Kommen und Gehen. Während Pest und Cholera dienten sie auch als Quarantänestationen“, erklärt Yannick mit wehender Mähne und das Steuerrad lässig in der Hand. Heute stehen die autofreien, unbewohnten Inseln ebenfalls unter Schutz und sind mit ihren Buchten ein Ziel für Segler, Angler, Taucher und Wassersportler aller Art. Hunde und Fahrräder sind zwar verboten – doch so manches Restaurant versorgt die Inselgäste. Wir sind schließlich in Frankreich.
Das andere – östliche – Tor in den Parc National des Calanques ist der idyllische Fischerort Cassis (ja, gleichnamig wie die schwarze Johannisbeere, aber „Cassie“ohne s ausgesprochen). Rund 20 Kilometer von Marseille entfernt, präsentiert sich hier dieser Küstenstreifen der Provence mit seinem dritten Gesicht. Der provenzalische Schriftsteller Frédéric Mistral befand dereinst: „Wer Paris gesehen hat, aber nicht Cassis, hat gar nichts gesehen.“Der Ort ist tatsächlich hinreißend: Ein bisschen Saint-Tropez (nur wesentlich kleiner, unexaltierter, ruhiger und auch viel preiswerter), ein schöner Strand, viel mediterraner Charme und französische Lebenskunst.
Höchste Festlandsteilküste
Die pittoreske Altstadt von Cassis mit ihren farbenfrohen Häusern in Ocker- und Rottönen umarmt die Bucht wie ein Amphitheater. Im Jachthafen schaukeln bunte Boote, an den Quais reihen sich Terrassencafés und Boutiquen aneinander. Überragt wird die Szenerie von einer mittelalterlichen Burg (der Privatbesitz kann leider nur von außen bewundert werden). Dahinter, Richtung
La Ciotat, schließt Cap Canaille an: die höchste Steilküste Festland-Europas ragt 400 Meter hoch aus dem Meer. Eine imposantere Kulisse ist für einen Fischerort kaum vorstellbar.
Apropos Fischer: Die Restaurants von Cassis verstehen sich hervorragend auf die Zubereitung von Meeresgetier aller Art. Knapp zehn Fischer sind noch aktiv und offerieren am Morgen im Hafen frische Ware: Goldbrassen, Rotbarben, Seeteufel, Knurrhähne oder Drachenköpfe. Ein regionaler Leckerbissen ist der Seeigel. Praktischerweise werden in Cassis auch feine Weißweine gekeltert, perfekt zum Fisch. Das kleine Weinbaugebiet (rund 200 Hektar) trägt seit dem 15. Mai 1936 das Regionsgütesiegel AOC (Appellation d’Origine Contrôlée).
Weißwein und Mineralität
Cassis war einst eine griechische Kolonie – so blickt der Weinbau auf eine 2600 Jahre lange Geschichte zurück. 75 Prozent der Produktion entfallen auf weiße Rebsorten mit regionstypischer Mineralität und leichtem Salzgehalt: Clairette, Marsanne, Semillon und Ugni Blanc. Die edlen Tropfen können verschiedenartig erlebt werden: Weingüter laden zu Degustationen ein, begleitete E-Bike-Touren führen durch die Weinberge, und alljährlich steigt im Mai das große Weinfest von Cassis (2022 exakt am Jubiläumstag 15. Mai – falls Corona keinen Strich durch die Rechnung macht).
Kulinarisch empfiehlt sich in Cassis also regionaler Fisch mit einem schönen Glas Clairette. Und danach? Als Dessert ist hier wohl ein Sorbet aus Schwarzen Johannisbeeren Pflicht. Auf eine Kugel Cassis-Eis nach Cassis. Der Name verpflichtet.