Otto Sander. Bruno Ganz.
Peter Handke erdichtet sich ein „Zwiegespräch“mit zwei rastlosen Narren.
Den Band, der eben in der EdelReihe Bibliothek Suhrkamp erschienen ist, hat Peter Handke zwei berühmten Schauspielern gewidmet: „für Otto Sander und Bruno Ganz“. Wäre der Kärntner Weltbürger so plakativ wie Thomas Bernhard, der einmal gar ein Stück über Genie und Wahn mit „Ritter, Dene, Voss“betitelte, hätte er sein neues Werk „Sander. Ganz.“nennen können. Doch Handke ist nicht aufdringlich. Er hieß seine Wechselrede, in der schön gefasste Bilder aus alter Zeit auftauchen, ganz einfach „Zwiegespräch“.
Gerne hätte man erlebt, dass Sander & Ganz dieses Spiel im Spiel zweier besonderer Narren in Szene setzten. Aber sie sind tot. Also muss man sich damit zufriedengeben, dass der Nobelpreisträger die Leser poetisch dicht an fernen Innenwelten teilhaben lässt, die schemenhaft ins Äußernde gelangen. Elegisch, zuweilen mit viel Pathos, geht es zurück zu den Ahnen für den einen, für den anderen zu ersten Theater-Erlebnissen. Der erkennt dann Kulissen wieder, die ihm nun als Urbilder beim Wandern erscheinen. Eingewoben sind in den Text auch die Leidenschaften für den Kinofilm und für jene Schlager, die Fortgeschrittene noch aus der Jukebox kennen.
Was also ist, profan gefragt, der Plot dieses Gedankenaustauschs, der en passant auf Dichter wie Paul Celan anspielt, diskret auf Eigenes verweist und einige Kollegen (Homer, Schiller, Hugo) explizit nennt? Dominant wird die Figur eines Großvaters. Die Auseinandersetzung mit ihm scheint dem Erzähler schwerzufallen. Speziell am Österreichischen dürfte er noch würgen, „heillos“am Gewalttätigen dort: „Als Kind habe ich den Großvater immer wieder Tiere prügeln sehen, die Haustiere, die Kühe, die Ochsen, die Hofhunde, das Pferd – sogar das. Nie eine Peitsche, einzig Stöcke, aber was für welche, Haseln, Weißdorn, Eiche – eben Prügel, aus heiterem Himmel, unserm Kinderanschein nach für nichts und wieder nichts.“Dabei ging es laut der Großmutter um „den einen Schuldigen am Heldentod der Hofsöhne im Folgekrieg“.
Die gefolterte Schlange
Solch brutale Eindrücke sowie Verweise auf den Großen Krieg, im Karst und in Galizien, werden aus der Perspektive von Männern vermittelt, die nun selbst schon längst Großväter sein können oder sind. Das Politische wird vom einen als Bedrohung wahrgenommen, für Tragödien fühlt er sich nicht zuständig. Der andere will eine Szene spielen, in der eine Schlange auf den Rechen gespießt – gefoltert – wird. Die beiden Sprecher werden nach und nach ganz Ohr. In der Erinnerung hört der eine ein Liebespaar in einer Scheune – „mit Stimmen, weder flüsternden noch tönenden“. Klarere, „zweisamere“seien nicht möglich. Das Summen aus dem Inneren eines Hornissennestes, das der Großvater „zugemörtelt“hat, hört der andere noch immer.
Schließlich wird ein Geschenk erwähnt: Einen „Blindband“gibt der Enkel dem Greis. Ein leeres Buch. Hat der dann etwas aufgeschrieben aus seinem Leben? „Kein einziges Wort.“Aber das ersehnte Kindertheater-Haus? Ein „Kartenhaus“nur. Geheimnisvoll ist dieser Text, ernst im Spiel. Auch hoffnungslos? Nein. Man muss sich diese zwei Narren rastlos denken. Sie fragen am Ende, ob eine Zeit komme, „da das Wünschen wieder helfen wird“. Und behaupten: „Ja, komme sie!“Sie haben kein Recht auf Ruhe.