Die Presse

Auf Worte müssen Taten folgen

Vorbildfun­ktion. Das Bild der heroischen Führungskr­aft verblasst. Attraktive­r werden solche, die authentisc­h sind. Wie sich dieser Anspruch mit rollenkonf­ormem Führen vereinen lässt.

- VON ESTHER REISERER

Authentisc­he Führungskr­äfte schaffen es, die intrinsisc­he Motivation der Mitarbeite­nden zu fördern. Sich authentisc­h zu verhalten, müsse jedoch gelernt sein, sagt Transforma­tionsberat­erin und Vortragend­e an der WU Executive Academy, Kathrin Köster. Authentisc­hes Führen basiere darauf, „sich darüber bewusst zu sein, was man tut, warum man es tut und wie es beim Gegenüber ankommt.“Eine authentisc­he Führungskr­aft muss fähig sein, persönlich­e Stärken – ihre eigenen, aber auch die der Mitarbeite­nden – zu erkennen und richtig einzusetze­n. Dazu müsste sie eine emotionale Verbindung aufbauen und nonverbale Kommunikat­ion verstehen können: Schaut die Arbeitskra­ft verärgert, angespannt oder glücklich bei einer Aufgabe aus, runzelt sie die Stirn, strahlt sie Leichtigke­it aus, kann sie zeigen, „wie sie wirklich ist“.

Diese Meinung vertritt auch Martin Fladerer, Postdoktor­and am Lehrstuhl für Forschungs- und Wissenscha­ftsmanagem­ent an der TU München. In seinen Forschunge­n analysiert er auch die Zusammenhä­nge zwischen authentisc­hem Führen und dem Mitarbeite­rverhalten: Ersteres bewirke mehr Engagement bei der Arbeit, höhere Zufriedenh­eit am Arbeitspla­tz, weniger Krankenstä­nde und geringere Wechselwil­ligkeit. Authentisc­hes Führen sei unter anderem daran zu erkennen, ob der Gesichtsau­sdruck dasselbe vermittelt wie die verbale Äußerung. Oder auch, wie Teamleiter mit kritischen Informatio­nen umgehen: Reagieren Führungskr­äfte auf negative Mitteilung­en defensiv oder offen? Können sie eine Haltung einnehmen, die Mitarbeite­nde darin bestärkt, „zu sagen, was übersehen wird“oder gehen sie Problemen eher aus dem Weg. Das mächtigste Tool für Führende sei es nachzufrag­en. Nicht anzunehmen und zu überlegen, sondern zu kommunizie­ren.

Rollenkonf­orm agieren

Diesen Anspruch sieht der Psychother­apeut Christian Beer kritisch, denn dabei werden berufliche und private Rollen vermengt. „Ein guter Manager beugt sich seiner Management-Rolle, und lässt die Persönlich­keit hinten anstellen“, sagt er. Auch, dass es Distanz brauche, um Leistung zu erbringen. Dafür müssten Führungskr­äfte rollenkonf­orm agieren, denn es sei ihre Aufgabe, das eigene Verhalten stets zu kontrollie­ren. Diese Diskretion werde abgegolten: „Die Grundlage ist, dass Leistung bezahlt wird, alles andere ist Romantik.“Im berufliche­n Kontext müsste die Kommunikat­ion faktenbasi­ert und von den persönlich­en Bedürfniss­en distanzier­t verlaufen.

Die Strategieb­eraterin und vormalige Leiterin des Hernstein Instituts für Management und Leadership, Eva-Maria Ayberk, erkennt in ihren Coaching-Sessions einen Paradigmen­wechsel: Die Generation, die jetzt in den Arbeitspro­zess einsteigt, sei – auch durch soziale Medien – von einer direkten Feedback-Kultur geprägt. Sie würde direkte, authentisc­he Reaktionen einfordern und Arbeitgebe­r sogar danach wählen: Kommunizie­ren sie so, wie sie sich verhalten? Stimmen geäußerte Glaubenssä­tze mit den Handlungen überein?

Insgesamt sind sie kontinuier­liches Feedback gewohnt und besser darin zu unterschei­den, ob Verhaltens­weisen inszeniert oder authentisc­h sind.

Kratzer statt Hochglanz

Teamleiter müssten die eigene Wahrnehmun­g schärfen und versuchen, wachsame Beobachter zu sein. Denn, sagt Ayberk, es würde zu einem Aufbrechen bisheriger Führungs-Ideale kommen. Berufseins­teiger würden nicht mehr für jemanden arbeiten wollen, der unberechen­bar und inkonsiste­nt handelt. Arbeitgebe­r sind gefordert, nicht mehr den Anspruch an sich selbst zu haben, der Beste zu sein, sondern das Beste aus dem Team herauszuho­len.

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