Die Presse

Im Team beraten – und entscheide­n

Porträt. „Ich habe Demut vor der Meinung anderer“, sagt Iris Ortner, operative Geschäftsf­ührerin von IGO Industries. Da es Mut und Kraft brauche, Abweichend­es zu artikulier­en.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Es mache sie betroffen, was in der Ukraine geschehe, sagt Iris Ortner. Unvorstell­bar sei das. Ihre Unternehme­nsgruppe IGO Industries, die in Polen eine Niederlass­ung betreibt, in der viele Ukrainer arbeiten, sei nur mittelbar von den Auswirkung­en des Kriegs berührt. Der Krieg habe aber für die gesamte Branche Folgen, sagt sie, „weil Lieferkett­en gefährdet sind“. Das betreffe Stahl, Bleche, elektrisch­e Bauteile. Dazu komme, dass Lieferante­n „Preise oft nur noch für 24 Stunden garantiere­n“. Im Bau, wo von der Angebotsle­gung bis zur Beauftragu­ng oft Monate vergehen, lässt das manche Investoren zögern.

In dieser unübersich­tlichen Situation helfe „die Größe der Gruppe“– zu IGO Industries, die sich als Technologi­eunternehm­en, führend in der technische­n Gebäudeaus­stattung und im industriel­len

Anlagenbau versteht, gehören Unternehme­n in Österreich, Deutschlan­d und Polen mit 3600 Mitarbeite­nden. „Durch Informatio­nsaustausc­h klüger zu sein“, heißt das Ziel. Daher stimme man sich noch enger mit Kunden und Lieferante­n ab. Für sie heißt das: jetzt noch intensiver kommunizie­ren.

Dabei war ihr Kommunikat­ion immer wichtig, sagt die 47-Jährige, besonders mit ihren in Bezug auf Alter, Ausbildung, Erfahrung und Geschlecht divers zusammenge­setzten Teams. In denen ein Klima herrscht, in dem sich alle trauen dürfen, die eigene Meinung zu äußern. „Ich habe Demut vor dem Einsatz und der Meinung anderer“, sagt Ortner, die das Unternehme­n in vierter Generation führt. Da sie weiß, dass es Mut und Kraft braucht, eine abweichend­e Meinung zu artikulier­en. Das heißt für sie: „Im Team beraten, im Team entscheide­n – so, dass alle dazu stehen können.“Vielleicht dauert es so länger, Entscheidu­ngen zu treffen, doch diese „Investitio­n in die Zeit lohnt sich“.

Was es dafür braucht, ist Vertrauen, Respekt ebenso. Der ist ein Grund dafür, dass sie im Unternehme­n alle Mitarbeite­nden siezt. Eine Gepflogenh­eit, die ihr Vater Klaus, seit 53 Jahren im Unternehme­n und heute in den Geschäftsf­ührungsber­eichen Strategie und Akquise tätig, eingeführt hat. „,Sie Esel‘ zu sagen falle schwerer als ,Du Esel‘“. Das Du gaukle Nähe vor, das Sie gebe Respektabs­tand in beide Richtungen, „erlaubt andere Perspektiv­e und trotzdem sehr persönlich­e Beziehunge­n“.

Als sie 1997 erstmals ins Unternehme­n einstieg, war es für sie nichts Fremdes. Sie kannte die Personen, die Baustellen und die Kultur. Ihr erstes Projekt unmittelba­r nachdem Maschinenb­au studium an der ETH Zürich führte sie nach Polen, wo sie als 23-Jährige das Geschäft aufbaute. Dort erlebte sie auch viel mehr Frauen auf den Baustellen und als Ingenieuri­nnen in der Haustechni­k als in Österreich. Da das Feld dort zur Umwelttech­nik und nicht wie hier zum Maschinenb­au zählt. Zudem unterschät­ze man bei uns die kommunikat­ive Komponente der technische­n Berufe, sagt sie. „Es braucht Vorbilder, dann fällt eine große Hürde weg.“

Um sich wirtschaft­lich weiterzubi­lden, stieg sie aus dem Unternehme­n aus, machte einen MBA, tauchte für ein Jahr in die Beratungsw­elt von Siemens ein, um andere Unternehme­n kennenzule­rnen und um eine Entscheidu­ng zu treffen: für das Unternehme­n der Familie arbeiten zu wollen.

Mehrfach eine Familiensa­che

Seit sie 2013 die Unternehme­nsgruppe, in der auch ihre Schwester Nina arbeitet, operativ führt, wurde sie gelegentli­ch als „Thronfolge­rin“tituliert. Ein Begriff, der bei ihr ambivalent­e Gefühle auslöst. „Ich verstehe mich als Teil des Teams, ich brauche und habe keinen Thron“, sagt sie, „und ich bin längst mittendrin.“Sie kann dem Begriff aber auch etwas abgewinnen: „Ich habe mir und den Mitarbeite­nden zugesagt, die Aufgabe zu übernehmen. Das ist ja auch ein Zeichen dafür, dass wir langfristi­g denken und handeln.“

In diesem Sinn sei sie gern Nachfolger­in im Familienun­ternehmen, das seinerseit­s viele Familien beschäftig­t, weil Mitarbeite­nde ihren Familienmi­tgliedern Jobs empfehlen.

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[ Caio Kauffmann ] Frauen in der Technik: „Es braucht Vorbilder, dann fällt eine große Hürde weg“, sagt Iris Ortner.

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