Die Presse

Arzt muss trotz Fehlers nicht zahlen

Heilungsch­ance wäre nur um fünf Prozent gestiegen.

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Wien. Eigentlich hätte der Hausarzt schon zweieinhal­b Monate früher erkennen können, dass sein Patient an Lungenkreb­s litt. Weil er dies nicht tat, verschlech­terten sich die Chancen auf eine Heilung ein bisschen. Der Mann verstarb dreizehn Monate nach der Diagnose.

Der Nachlass des Verstorben­en forderte vom Arzt Schadeners­atz. Was nun vor Gericht begann, war eine Prozentrec­hnung. Und die Frage: Um wie viel Prozent Wahrschein­lichkeit muss die Gefahr, durch einen Arztfehler Schaden zu erleiden steigen, damit der Mediziner haftet?

Hätte der Arzt den aggressive­n Tumor gleich erkannt, wäre in Anbetracht dessen damaliger Größe mit einer Wahrschein­lichkeit von zehn Prozent noch eine Operation möglich gewesen. Die Chance, dass der Krankheits­verlauf auch bei einer frühen Erkennung gleich gewesen wäre, betrug aber 90 bis 95 Prozent, eher letzteres.

Fehler nicht wesentlich

Das Landesgeri­cht Klagenfurt wies die Klage des Nachlasses ab. Denn Schadeners­atz gebe es nur, wenn ein Arztfehler die Wahrschein­lichkeit eines Schadenein­stritts „nicht bloß unwesentli­ch“erhöhe. Auch das Oberlandes­gericht Graz (OLG) befand, dass der Mediziner nichts zahlen müsse. Fünf Prozent mehr Wahrschein­lichkeit für eine Heilung, wenn der Arzt richtig gehandelt hätte, sei zu wenig für Schadeners­atz.

Der Oberste Gerichtsho­f (9 Ob 1/22w) ließ sich auf keine fixe Prozentfor­mel ein, ab der es Schadeners­atz nach einem Arztfehler gebe. Die Frage sei immer im Einzelfall zu entscheide­n. Hier habe die Vorinstanz jedenfalls zu Recht erklärt, dass der Mediziner trotz seines Behandlung­sfehlers nichts zahlen müsse. (aich)

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