Anzeichen für Lohn-Preis-Spirale
Inflation. EZB-Ratsmitglied Olli Rehn warnt angesichts der Inflation vor Zweitrundeneffekten. Deutschlands Finanzminister, Lindner, will gefühlten Preisdruck mindern.
Frankfurt. Olli Rehn, Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), hält eine Leitzinserhöhung im Euroraum noch diesen Sommer für richtig. Es ist geboten, im dritten Quartal, wohl im Juli, den Leitzins anzuheben, sagte Rehn, der auch Gouverneur der finnischen Zentralbank ist, der deutschen Tageszeitung „Welt“(Montag). Und wir werden die Geldpolitik weiter normalisieren, vorausgesetzt, der russische Krieg in der Ukraine wirft die europäische Wirtschaft nicht wieder zurück.
Als Grund nannte das EZBRatsmitglied vor allem die Angst vor Zweitrundeneffekten wie der Lohn-Preis-Spirale – also dem Phänomen, dass sich steigende Löhne und Preise gegenseitig hochschaukeln. „Wir sehen Anzeichen für Zweitrundeneffekte“, sagte Rehn, „auch wenn die Löhne in Europa nicht so stark gestiegen seien wie in den USA. Wir müssen deshalb verhindern, dass sich die Inflationserwartungen verfestigen. Deshalb ist es wichtig, dass wir ein entsprechendes Signal senden.“
Ähnlich hatten sich zuletzt auch andere Entscheidungsträger der EZB geäußert, darunter die Direktoriumsmitglieder Fabio Panetta und Isabel Schnabel. „Jetzt reicht es nicht mehr zu reden, wir müssen handeln“, hatte Schnabel im Gespräch mit dem „Handelsblatt“gesagt. „Aus heutiger Sicht halte ich eine Zinserhöhung im Juli für möglich. Zuvor sollten die Nettozukäufe von Anleihen eingestellt werden, voraussichtlich Ende Juni.“
Gefühlter Inflationsdruck
Erhöhungen des Leitzinses verteuern Kredite und bremsen die Nachfrage. Das hilft, die Inflationsrate zu senken, schwächt aber auch das Wirtschaftswachstum. Derzeit müssen Banken sogar 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Volkswirte erwarten, dass die Notenbank heuer wahrscheinlich in mehreren Schritten zunächst diesen negativen Einlagensatz auf null Prozent anheben wird. Die US-Notenbank Fed hat am Mittwoch ihren Leitzins deutlich um 0,5 Punkte erhöht und Europas Währungshüter so weiter unter Druck gesetzt.
Die Gefahr einer Lohn-PreisSpirale sei real, sagte auch der deutsche Finanzminister, Christian Lindner (FDP), am Montag. Die Inflationsentwicklung würde dann zusätzlich verstärkt.
Der Staat müsse daher den gefühlten Inflationsdruck beim Nettoeinkommen abmildern. Die deutsche Regierungskoalition aus Sozialdemokraten (SPD), Grünen und Liberalen (FDP) hat bereits zwei Entlastungspakete für Haushalte und Unternehmen wegen der hohen Energiepreise geschnürt. Sie sollen den gefühlten Inflationsdruck mindern, so Lindner. Viele Maßnahmen davon sind aber noch in der Umsetzung und wirken noch nicht.
Einmalzahlungen möglich
Lindner sieht auch die Tarifpartner in der Pflicht, die Inflation nicht weiter anzuheizen. Erste Anzeichen, dass in diesem Jahr Einmalzahlungen eine Rolle spielen könnten, deuten sich bereits an.
In Deutschland lag die Teuerungsrate im April angetrieben von stark steigenden Lebensmittelund hohen Energiepreisen bei 7,4 Prozent: Der höchste Stand seit Oktober 1981. (APA/Reuters)