Das selten gespielte Klavierkonzert von Clara Schumann
Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Yannik Nez´et-Séguin im Konzerthaus.
Noch hat der neue Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, Sir Simon Rattle, sein Amt nicht angetreten. Deswegen tourt das Orchester, das sein früherer Musikchef Mariss Jansons an die Weltspitze geführt hat, mit einem seiner prominenten Gastdirigenten: Yannik Nézet-Séguin, derzeit Musikdirektor der New Yorker Met und des Philadelphia Orchestra. In Wien machten die Bayern diesmal nicht wie üblich im Musikverein, sondern im Konzerthaus Station. Und zwar mit zwei pointiert zusammengestellten Programmen: Im Mittelpunkt des ersten stand das Klavierkonzert von Clara Schumann, im zweiten das viel bekanntere ihres Gatten, Robert Schumann. Dieses wurde allein im Wiener Konzerthaus schon 104 Mal aufgeführt, Clara Schumanns ein Dezennium früher entstandenes Klavierkonzert erst einmal.
Die Komponistin selbst hat es unter Leitung von Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig uraufgeführt und damit mehr verstört als Erfolg gehabt. Ob es daran lag, dass im zweiten Satz nur das Klavier und das Solocello spielen? Oder war man überrascht, dass der Stirnsatz nicht auf dem gewohnten Dualismus von Hauptund Nebenthema aufbaut, sondern sich auf ein Thema konzentriert? „Mehr Phantasiestück als Konzert“, hieß es in einer Rezension. Tatsächlich besticht der erste Satz durch mitreißenden Schwung. Die mittlere Romanze strahlt subtile Poesie aus, das Rondo-Finale lädt den Solisten ein, mit Virtuosität und Klangkultur zu brillieren. Das tat die vom Orchester souverän assistierte junge italienische Pianistin Beatrice Rana höchst eindrucksvoll.
Musik, die in die Stille führt
Der Abend begann mit einer Novität des bedeutendsten dänischen Komponisten, Hans Ambrahamsen: „Vers le silence“, ein halbstündiges, in vier Abschnitte gegliedertes Orchesterstück, das sich der Aufgabe stellt, unterschiedliche musikalische Gedanken, die mitunter wiederholt und zu kräftiger Dynamik gesteigert werden, am Ende eines Satzes konsequent in Stille münden zu lassen. Ein meist nobel schillerndes, kontemplatives Gegenstück zu Skrjabins „Vers la flamme“.
Da passte es gut, dass auch für das Finale des Konzerts ein Werk gewählt wurde, das leise ausklingt: die Dritte Brahms. Allerdings trieb Nézet-Séguin seine nicht in allen Reihen gleich überzeugenden Musiker mit derart ungebändigter Energie durch diese F-Dur-Symphonie, dass deren irisierende Lyrik oft zu kurz kam. Am deutlichsten im Poco-Allegretto-Abschnitt, der wenig Spannung vermittelte und auch klanglich zu wünschen ließ.