Sie bedrohen unsere Redefreiheit
Ladies and Gentlemen! Ist diese Anrede ein sprachliches Vergehen? Zu diesem Befund kommt man an der größten FH Österreichs.
Den Kampf zwischen sprachlicher Zensur und freier Rede kennt der englischsprachige Raum seit Jahren. Die Literaturkritikerin Marjorie Perloff bedauert, dass man so vieles nicht mehr sagen dürfe; egalitärer mache dies die Gesellschaft nicht. Der Linguist Rubén Gallo erkennt in dieser sprachlichen Zensur eine infantile, intolerante Reaktion auf die Welt.
Diese Beschneidung unserer Redefreiheit unter dem Deckmantel der Gleichberechtigungsbewegung beginnt nun auch im deutschsprachigen Raum. So sitzen in Wien 90 Bachelor-Studierende im technischen Zweig an einer der größten Fachhochschulen Österreichs in ihrer Vorlesung, warten und lauern auf sprachliche Vergehen ihrer Lehrenden. Im Zentrum dieser Praktiken steht eine studierende Person, die sich weder als Mann noch Frau begreift und diesen selbst zugeschriebenen Status nutzt, je nachdem, welches Geschlecht gerade von Vorteil ist. Die Anrede „Ladies and Gentlemen“verurteilt diese Person, deklariert sich aber als Frau, um sich mit Steuergeldern das Studium zu finanzieren, können doch Frauen in den technischen Studienrichtungen Förderung erfahren. Diese Person besetzt einen Bereich, der nur Frauen zusteht. Sie nimmt einer Frau die Möglichkeit auf akademische Bildung, verwehrt ihr den sozialen Aufstieg.
Der Code of Conduct sieht kein Verbot einer Anrede mit „Ladies and Gentlemen“vor, legt aber einen anderen Aspekt offen: eine neue Rolle für Studierende. Sie sind nicht länger Lernende, die Bildung erfahren. Sie sind Kundinnen und Kunden, deren Wünsche bedingungslos erfüllt werden müssen. Diese Zuschreibung degradiert die Studierenden zu einer Ware und zerstört den wechselseitigen Lernprozess zwischen Lernenden und Lehrenden.
So finden sich die Studierenden in einer Machtposition wieder, mit welcher gerade Bachelor-Studierende
schwer umgehen können: „Die Englischlektorin gibt uns nicht die volle Punktezahl? Wir nutzen unsere WhatsApp-Gruppe, stellen die Englischlektorin als rassistisch und sexistisch dar. Wir schreiben E-Mails an andere Lehrende, zweifeln ihre fachliche Kompetenz an.“
Die Reaktion des Studiengangsleiters auf dieses (Cyber-) Mobbing? Die Studierenden sollen in einer Gegenüberstellung befinden, ob sich die Englischlektorin sprachlicher Vergehen schuldig gemacht hätte. Die Aggressor_innen werden zu Kläger_innen und gleichzeitig Richter_innen. Dabei bedient man sich eines Volkstribunals, welches weder pädagogisch wertvoll noch demokratisch ist.
Wie sehr die Studierenden heute als Kund_innen begriffen werden, zeigt auch das System der Benotung: So erreichen in einer Vorlesung der Informationstechnologien von 90 Studierenden ganze 83 die volle Punktezahl bei einer Prüfung. Im Vorjahr erhielten ausnahmslos alle Studierenden die volle Punktezahl. Diese reflexartige und inflationäre Vergabe von voller Punktezahl mindert langfristig den (Markt-) Wert dieser (Aus-)Bildung.
Missbrauch erkennen
Ladies and Gentlemen! Boys and Girls! Kings and Queens! Gleichberechtigter Umgang steht im Zentrum unserer Wertegesellschaft. Wir sollten jedoch erkennen, wann Personen die Gleichberechtigungsbewegung für ihren persönlichen Nutzen missbrauchen. Diesen destruktiven Personen gilt es mit demokratischen Mitteln Einhalt zu gebieten. Sie bedrohen unsere Redefreiheit, ein Gut, das sich unsere liberalen, demokratischen Gesellschaften über Jahrhunderte erkämpft haben.
Elfriede A. Stanka, wissenschaftliche und literarische Publikationen über Kunst, Ästhetik und Gesellschaftskritik. Englischlektorin seit fünfzehn Jahren an der größten Fachhochschule Österreichs.