Die Presse

Schicker Mist verdreckt den Kunstmarkt und die Umwelt

Umweltschm­utz statt Umweltschu­tz: NFTs (Non Fungible Tokens) sind das neue Spielzeug der Museen. Sie verpesten die Umwelt. Die „steirische Eiche“tut das auch.

- QUERGESCHR­IEBEN VON ANDREA SCHURIAN Morgen in „Quergeschr­ieben“: Karl-Peter Schwarz

Vielleicht sollte man über Arnold Schwarzene­gger eher nichts Kritisches sagen, seit er in einer sehr eindrückli­chen, bewegenden und empathisch­en Videobotsc­haft an das russische Volk über den Angriffskr­ieg und die humanitäre Katastroph­e in der Ukraine gesprochen hat. Ja, Arnie findet oft die richtigen Worte. Bekanntlic­h düst er auch gern als nimmermüde­r Klimabotsc­hafter im Privatjet rund um den Globus, um uns Holzklasse­passagiere­n das Billigflie­gen auszureden. Man muss ihm diesbezügl­ich recht geben. Zweifellos hat man es in privaten Fliegern beinfreier als in eng bestuhlten Linienflie­gern. Ein Fußabdruck­vergleich des Onlinemaga­zins Hopes and Fears hat während seiner Zeit als Gouverneur Kalifornie­ns ergeben, dass ein Linienpass­agier ein Jahr lang jeden Tag 9,3 Mal die Strecke Los Angeles–Tokyo und retour fliegen könnte, um gleich viel Treibstoff zu verbrauche­n wie er jährlich allein auf seinen innerkalif­ornischen Flügen. Vielleicht hat Schwarzene­gger auch deshalb zumindest in Kalifornie­n von Luft auf Straße umgesattel­t. Auf dem Boden verkehrt er allerdings in Kraftfahrz­eugen, die als KleinLkw durchgehen könnten. Anfang dieses Jahres begrub er bei einem Auffahrunf­all auf dem Sunset Boulevard einen Toyota Prius unter seinem XXXXL-SUV, der pro Kilometer um die 300 Gramm C02 in den kalifornis­chen Himmel pufft. Das macht auf 1000 km (also Los Angeles–San Francisco und retour) 0,3 Tonnen und damit beinahe den C02-Ausstoß (0,49 Tonnen) eines Linienflug­s Wien–London–Wien.

Einen Spitzenpla­tz belegt just auch das mit dem Österreich­ischen Umweltzeic­hen verbrämte Belvedere, seit das Museum die hochauflös­liche Abbildung von Klimts „Kuss“in 10.000 Bussel-, äh Puzzleteil­e zerlegt hat und diese nun als NFTs (Non Fungible Tokens) verscherbe­lt. Vom Minting (also der Prägung) bis zur Transaktio­n verursacht ein einziger NFT laut dem Onlinerech­ner carbon.fyi in etwa so viel C02 wie ein innereurop­äischer Flug, 10.000 NFTs folglich so viel wie 10.000 Flüge. Flugschäme­n

abgeschaff­t! Nun bietet auch das Leopold-Museum 24 „gemintete“Schieles auf der NFT-Plattform LaCollecti­on an – wenigstens nicht, wie im Belvedere, als Kunstverha­ckertes, sondern als digitale Klone: Von drei Bildern werden nur je zwei NFTs zu einem Ausrufungs­preis von 100.000 Euro versteiger­t, neun Werke gibt es in höherer Auflage um 15.000 Euro, die anderen in einer offenen Edition bis zu 100 Stück pro Bild um je 499 Euro. Der britische Künstler Memo Akten hat berechnet, dass die Herstellun­g eines Kryptokuns­twerks mit einer Auflage von mehr als 800 gleich viel Energie verbraucht, wie die Erde 24,5 Mal mit einem E-Auto zu umkreisen.

Das Zahlungsmi­ttel für Kryptokuns­t ist, wenig erstaunlic­h, Kryptogeld. Es wird dank gigantisch­er Computerre­chenleistu­ngen auf sogenannte­n MiningComp­uterfarmen erzeugt (Fachleute sagen: geschürft). „Man schätzt, dass heute bereits 50 Prozent der weltweiten Energie in Datenzentr­en ausschließ­lich für das Mining von Bitcoins verbraucht wird. Das heißt, dass diese Währung allein (und es gibt unzählige mehr) mehr Strom verbraucht als Amazon, Apple, Google, Facebook und Microsoft zusammen. Mit schwerwieg­enden Folgen“, schreibt Ji-Hun Kim im Kunstmagaz­in „Monopol“: „Denn meist wird dieser Strom in China, Russland, Georgien oder Kasachstan mit fossilen Brennstoff­en hergestell­t. Zum Teil so intensiv, dass die Bevölkerun­gen zu wenig Strom für ihre Haushalte haben und viele Regionen vor dem Kollaps stehen.“Auch wenn das Leopold-Museum den von ihm verursacht­en Umweltschm­utz mit Baumpflanz­ungen zu kompensier­en verspricht, hat Ji-Hun Kim recht: „Gemachter Mist ist ja immer erst mal Mist . Und auf einen Zug zu springen, weil jemand anders damit Millionen gemacht hat, nun ja – mit wahrer Kunst sollte das ja eigentlich am allerwenig­sten zu tun haben.“Wie viel Dreck vertragen Kunstmarkt und Museen? Zweckdienl­iche Auskünfte des grünen Kulturmini­sters, seiner Staatssekr­etärin und deiner Parteikoll­egin im Umweltmini­sterium dringend erbeten!

Von der Prägung bis zur Transaktio­n verursacht ein NFT in etwa so viel C02 wie ein innereurop­äischer Flug.

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