Vom Scharfmacher zum geschätzten Globetrotter
Porträt. Reinhold Lopatka fliegt unter dem Radar durch die Weltgeschichte. Jetzt holt er Ukrainerinnen ins Parlament.
Wien. Es war im vortürkisen Zeitalter ein politisches Naturgesetz: Wo es kracht, ist Reinhold Lopatka nicht weit. Erst als Generalsekretär der ÖVP, dann als Staatssekretär und Klubchef. Unter Sebastian Kurz wurde er dann aus dem Machtzirkel der Partei geräuschlos verbannt. Also suchte sich Lopatka als außenpolitischer Sprecher der ÖVP im Parlament ein neues Betätigungsfeld: die weite Welt.
Teilweise mehrmals pro Woche jettet Lopatka nun von Konferenz zu Sitzung, und das völlig unter dem öffentlichen Radar. „Kein Abgeordneter im Haus“, sagt ein Oppositioneller anerkennend, „ist so viel unterwegs wie er.“Ein Auszug aus Lopatkas Reiseprogramm der vergangenen Monate: Der Steirer war in Indien, er diskutierte auf einem Kongress in Doha, im französischen Unterhaus, im Bundestag und im EU-Parlament, dazwischen war er bei Parteifreunden in Südtirol. Als Wahlbeobachter bereiste er unlängst Albanien, Armenien, Ungarn, Kirgisistan und Usbekistan – teilweise sogar als Leiter der internationalen Delegation, etwa im autoritären Usbekistan.
Lopatka leitet überhaupt allerhand: Er ist Chef einer Delegation des IPU genannten Bündnisses von Parlamentariern aus 179 Staaten und führt eine OSZE-Einheit zur Terrorismusbekämpfung. Er ist Vizepräsident der parlamentarischen Versammlung der OSZE, in jener des Europarats leitet er die österreichische Delegation. Und er leitet ein Gremium der IDU, der weltweiten Dachorganisation christdemokratischer Parteien.
Was er da tut: Als oberster Wahlbeobachter in Usbekistan etwa war es Lopatkas Job, die Wahrnehmungen von rund 300 Ländervertretern unter einen Hut zu bringen – und Kritik gegen den Widerstand der Regimefreunde durchzusetzen. In der IDU setzte er sich – erfolgreich – dafür ein, dass die israelische Likud-Partei aufgenommen wurde. Die ÖVP bekommt von all dem übrigens kaum etwas mit; in Klub, Partei und Regierung hätten sie andere Prioritäten, sagt Lopatka. Anfang Februar lief er Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) zufällig über den Weg – mitten in Armenien.
Bei all dem baut sich Lopatka ein weitverzweigtes Netzwerk auf – das er nun, nach dem gescheiterten Versuch, Wolodymyr Selenskij im Nationalrat anzuhören, auch im Ukraine-Konflikt genützt hat: Nächste Woche kommt die ukrainische Abgeordnete Mariia Mezentseva, die Lopatka als Delegationsleiterin aus dem Europarat kennt, zu Besuch nach Wien und hält eine 90-minütige Rede vor dem Europaausschuss. Mit dabei sind auch zwei weitere ukrainische Abgeordnete. Im Mai reist Lopatka dann selbst via OSZE in die Ukraine, um auf einer Friedensmission Abgeordnete und Vertreter von Einsatzorganisationen zu treffen. Vermutlich wieder unter dem öffentlichen Radar.