Generationswechsel am Golf
Vereinigte Arabische Emirate. Mohammed bin Zayed ist zum neuen Präsidenten der VAE gewählt worden. Er gilt in Wirtschaftsfragen als pragmatisch, politisch aber als unberechenbar. Das betrifft auch die Außenpolitik.
Istanbul. Die Golfstaaten erleben einen Generationswechsel, der die Region auf Jahrzehnte prägen wird. In den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) hat Kronprinz Mohammed bin Zayed nach dem Tod seines Halbbruders Khalifa bin Zayed am Wochenende das Präsidentenamt übernommen.
MBZ, wie der 61-Jährige genannt wird, steht für eine wirtschaftliche Öffnung ohne Demokratisierung. Die Emirate sind dabei schon wesentlich weiter als der große Nachbar Saudiarabien, wo der Generationswechsel noch bevorsteht. Mit dem Machtantritt der neuen Herrschergeneration am Golf enden auch außenpolitische Gewissheiten.
MBZ hat Frieden mit Israel geschlossen und stellt die Führungsrolle der USA infrage. In den kommenden Jahren dürfte er die Beziehungen seines Landes zu China und Russland weiter ausbauen.
Das könnte Spannungen mit dem Westen auslösen: „Der Führung der VAE kommt es nicht darauf an, geliebt zu werden“, sagt ein Experte.
MBZ ist seit einem Schlaganfall seines zwölf Jahre älteren Halbbruders im Jahr 2014 der Defacto-Herrscher der öl- und gasreichen VAE, die aus sieben Emiraten bestehen. Nach dem Tod von Khalifa bin Zayed am Freitag bestimmten die Herrscher der Einzel-Emirate den Kronprinzen am Samstag einstimmig zum neuen Staatschef. Der schnelle und reibungslose Machtwechsel zeigt, dass Mohammed bin Zayed unangefochten ist. Fachleute wie Andreas Krieg vom King’s College in London erwarten, dass der neue Präsident eine lange Amtszeit vor sich hat: Er könne zwei Jahrzehnte an der Macht bleiben, sagte Krieg dem Sender Al-Dschasira.
Die VAE setzen immer wieder Standards für die Golfregion – aus Sicht des Westens nicht immer die besten. Früher als andere Staaten begannen die Emirate mit der Vorbereitung auf eine Zukunft nach dem Öl-Zeitalter. Sie erarbeiteten sich ein Image als liberales und wirtschaftsfreundliches Finanzund Tourismuszentrum, in dem sich westliche Ausländer – anders als in Saudiarabien – keinen strikten islamischen Regeln unterwerfen müssen. Innenpolitischen Dissens duldet die Regierung jedoch nicht. Amnesty International wirft den VAE willkürliche Verhaftungen, Misshandlungen und Verletzungen der Meinungsfreiheit vor.
Hightech statt Öl
In der Außenpolitik lässt sich MBZ von zwei Zielen leiten: Er will die von Katar und der Türkei unterstützte Muslimbruderschaft bekämpfen, die er als existenzielle Bedrohung für die Golfstaaten sieht, und den regionalen Vormarsch des Nachbarn Iran stoppen. Dafür engagieren sich die VAE in Konflikten weit jenseits der Landesgrenzen, etwa in Libyen oder im Jemen. Der ehemalige USVerteidigungsminister James Mattis nannte die VAE mit ihren neun Millionen Menschen einmal das „kleine Sparta“: ein Land, das viel mächtiger ist, als seine bescheidene Größe vermuten lässt.
MBZ ist ein ausgebildeter Hubschrauberpilot. Mit seiner Politik ist der neue VAE-Präsident ein Vorbild für den 36-jährigen saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, genannt MBS. Wie Mohammed bin Zayed will der saudische Thronfolger sein Land öffnen und zu einem HightechStaat ohne Abhängigkeit vom Öl machen – und ohne den Bürgern mehr Mitsprache zu gewähren. In einigen Bereichen, etwa in den Bemühungen um ausländische Investoren, sind beide Länder mittlerweile Konkurrenten.
MBZ und MBS haben noch etwas anderes gemeinsam: Sie sind keiner Ideologie verpflichtet, sondern politisch flexibel. Das zeigt sich auch in ihrer nicht immer stringenten Außenpolitik.