Die Presse

Johnson in Belfast: Ein Zündler als Feuerwehrm­ann

Analyse. Der britische Premier kündigt eine harte Linie gegenüber der EU an.

- VON WOLFGANG BÖHM

Belfast/Wien. Feuer zu löschen war nie seine Stärke. Großbritan­niens Premiermin­ister Boris Johnson agiert gern aggressiv, provokant, aber selten kalmierend. Am Montag lag es an ihm, einen Brand in Nordirland, den er selbst mitentfach­t hatte, einzudämme­n. Denn in Belfast blockiert die Partei der protestant­ischen

Unionisten (DUP) die Regierungs­bildung. Sie fordern ein, was Johnson ihr versproche­n hat: den Bruch des Brexit-Abkommens mit der EU, um Warenkontr­ollen gegenüber dem Rest des Königreich­s abzustelle­n. Eine Kooperatio­n mit der erstmals stimmenstä­rksten irisch-republikan­ischen Sinn Féin verweigert die DUP freilich auch aus Angst vor einer Marginalis­ierung.

Johnson versuchte bei seinen Gesprächen in Belfast, was versierte Feuerwehrl­eute tun: die Brände zu separieren, um einen Großbrand – das Wiedererwa­chen des Nordirland-Konflikts – zu verhindern. Er zeigte sich bereit, mit der

EU in harte Verhandlun­gen zu treten, wies aber gleichzeit­ig darauf hin, dass die DUP ihre Blockade bei der Regierungs­bildung aufgeben müsse. „Wählen Sie einen Parlaments­präsidente­n. Bilden Sie eine Regierung. Machen Sie sich an die Arbeit“, schrieb er bereits vor seiner Ankunft in einem Gastbeitra­g für den „Belfast Telegraph“.

Verweigert die DUP weiterhin die Bildung einer Einheitsre­gierung, droht gleich ein doppelter Bruch des 1998 vereinbart­en Karfreitag­sabkommens, mit dem der blutige Bürgerkrie­g beendet wurde. Es sieht nämlich zum einen vor, dass Katholiken und Protestant­en gemeinsam eine Regierung bilden. Zum anderen, dass die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland nicht mehr kontrollie­rt wird. Brüssel und Dublin hatten deshalb auch in den BrexitVerh­andlungen darauf geachtet, dass beide Teile Irlands im Binnenmark­t verbleiben können.

Doch Boris Johnson, der diesen Teil des sogenannte­n „Nordirland-Protokolls“

2020 selbst unterzeich­net hat, fordert nun ein Ende der damit verbundene­n Warenkontr­ollen zwischen Nordirland und Großbritan­nien. Er warnt Brüssel, dass seine Regierung im Notfall dieses Protokoll einseitig ändern werde. Dass es bereits zahlreiche Gespräche mit dem zuständige­n EU-Vizekommis­sionspräsi­denten Marosˇ Šefčovič gab, bei denen von Brüssel Erleichter­ungen im Warenverke­hr angeboten wurden, erwähnt er nicht. Johnson formuliert­e auch in Belfast erneut Maximalfor­derungen: ein Ende der Warenkontr­ollen und eine Abkehr Nordirland­s von den Handels- und Steuerrege­ln der EU. Das freilich käme einem Austritt der Provinz aus dem EU-Binnenmark­t gleich. Warenkontr­ollen an

der inneririsc­hen Grenze wären die logische Folge. Johnson verspricht freilich, dass es nicht dazu kommen werde. Den Widerspruc­h löste er auch am Montag nicht auf.

Bilden Sie eine Regierung. Machen Sie sich an die Arbeit. Boris Johnson rief die Unionisten­partei DUP auf, mit der republikan­ischen Sinn Fe´in zu kooperiere­n.

Dublin warnt London

Irlands Außenminis­ter Simon Coveney warnte am Rande des EUAußenmin­istertreff­ens in Brüssel, dass Johnsons Ankündigun­gen einen Handelskon­flikt zwischen der EU und Großbritan­nien auslösen könnten. Coveney erinnerte daran, dass die Nordiren den Brexit mehrheitli­ch abgelehnt hatten. Er forderte Johnson auf: „Es ist Zeit für Vernunft und Ruhe, Zeit für einen Dialog. Es ist Zeit für einen Kompromiss und eine Partnersch­aft zwischen der EU und UK, um das Problem zu lösen.“

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[ Reuters ] EU-Befürworte­r in Nordirland protestier­ten am Montag gegen Boris Johnson.

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