Johnson in Belfast: Ein Zündler als Feuerwehrmann
Analyse. Der britische Premier kündigt eine harte Linie gegenüber der EU an.
Belfast/Wien. Feuer zu löschen war nie seine Stärke. Großbritanniens Premierminister Boris Johnson agiert gern aggressiv, provokant, aber selten kalmierend. Am Montag lag es an ihm, einen Brand in Nordirland, den er selbst mitentfacht hatte, einzudämmen. Denn in Belfast blockiert die Partei der protestantischen
Unionisten (DUP) die Regierungsbildung. Sie fordern ein, was Johnson ihr versprochen hat: den Bruch des Brexit-Abkommens mit der EU, um Warenkontrollen gegenüber dem Rest des Königreichs abzustellen. Eine Kooperation mit der erstmals stimmenstärksten irisch-republikanischen Sinn Féin verweigert die DUP freilich auch aus Angst vor einer Marginalisierung.
Johnson versuchte bei seinen Gesprächen in Belfast, was versierte Feuerwehrleute tun: die Brände zu separieren, um einen Großbrand – das Wiedererwachen des Nordirland-Konflikts – zu verhindern. Er zeigte sich bereit, mit der
EU in harte Verhandlungen zu treten, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass die DUP ihre Blockade bei der Regierungsbildung aufgeben müsse. „Wählen Sie einen Parlamentspräsidenten. Bilden Sie eine Regierung. Machen Sie sich an die Arbeit“, schrieb er bereits vor seiner Ankunft in einem Gastbeitrag für den „Belfast Telegraph“.
Verweigert die DUP weiterhin die Bildung einer Einheitsregierung, droht gleich ein doppelter Bruch des 1998 vereinbarten Karfreitagsabkommens, mit dem der blutige Bürgerkrieg beendet wurde. Es sieht nämlich zum einen vor, dass Katholiken und Protestanten gemeinsam eine Regierung bilden. Zum anderen, dass die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland nicht mehr kontrolliert wird. Brüssel und Dublin hatten deshalb auch in den BrexitVerhandlungen darauf geachtet, dass beide Teile Irlands im Binnenmarkt verbleiben können.
Doch Boris Johnson, der diesen Teil des sogenannten „Nordirland-Protokolls“
2020 selbst unterzeichnet hat, fordert nun ein Ende der damit verbundenen Warenkontrollen zwischen Nordirland und Großbritannien. Er warnt Brüssel, dass seine Regierung im Notfall dieses Protokoll einseitig ändern werde. Dass es bereits zahlreiche Gespräche mit dem zuständigen EU-Vizekommissionspräsidenten Marosˇ Šefčovič gab, bei denen von Brüssel Erleichterungen im Warenverkehr angeboten wurden, erwähnt er nicht. Johnson formulierte auch in Belfast erneut Maximalforderungen: ein Ende der Warenkontrollen und eine Abkehr Nordirlands von den Handels- und Steuerregeln der EU. Das freilich käme einem Austritt der Provinz aus dem EU-Binnenmarkt gleich. Warenkontrollen an
der inneririschen Grenze wären die logische Folge. Johnson verspricht freilich, dass es nicht dazu kommen werde. Den Widerspruch löste er auch am Montag nicht auf.
Bilden Sie eine Regierung. Machen Sie sich an die Arbeit. Boris Johnson rief die Unionistenpartei DUP auf, mit der republikanischen Sinn Fe´in zu kooperieren.
Dublin warnt London
Irlands Außenminister Simon Coveney warnte am Rande des EUAußenministertreffens in Brüssel, dass Johnsons Ankündigungen einen Handelskonflikt zwischen der EU und Großbritannien auslösen könnten. Coveney erinnerte daran, dass die Nordiren den Brexit mehrheitlich abgelehnt hatten. Er forderte Johnson auf: „Es ist Zeit für Vernunft und Ruhe, Zeit für einen Dialog. Es ist Zeit für einen Kompromiss und eine Partnerschaft zwischen der EU und UK, um das Problem zu lösen.“