Die Presse

Wien-Terror: Mordanklag­en drohen

Für sieben mutmaßlich­e Helfer des Attentäter­s von Wien rückt eine Anklage wegen Beteiligun­g am vierfachen Mord und am mehrfach versuchten Mord immer näher.

- VON MANFRED SEEH

Bei dem islamistis­chen Terroransc­hlag in Wien mit vier Toten und zwei Dutzend teilweise schwer Verletzten ist der Attentäter selbst, der österreich­isch-nordmazedo­nische Doppelstaa­tsbürger K. F. (20), von der Polizei erschossen worden. Die große Frage lautet seither: Gibt es Komplizen oder Helfer, die im Vorfeld der Tat aktiv waren? Orientiert man sich am Abschlussb­ericht des Wiener Landesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g, blicken sieben Islamisten einer Anklage wegen Beteiligun­g am vierfachen Terrormord entgegen.

Drei der sieben Männer (der jüngste von allen ist 21, der älteste 38) stehen unter dem dringendem Verdacht, den Attentäter bei Beschaffun­g bzw. Präparieru­ng der bei dem Anschlag verwendete­n Waffen unterstütz­t zu haben. Und zwar: H. Z. (28), geboren in Afghanista­n, aufgewachs­en in Österreich; A. M. (32) aus Tschetsche­nien und I. F. (21), geboren in Wien, mit Wurzeln, die in den arabischen Raum reichen. Andere der sieben Hauptbesch­uldigten sollen den Attentäter psychisch bestärkt haben. Die Ermittlung lief insgesamt gegen 27 Beschuldig­te.

Nimmt man die mutmaßlich­en Waffenbesc­haffer unter die Lupe, sticht H. Z. hervor. Der (so wie die anderen Hauptbesch­uldigten) in U-Haft sitzende Mann ist den Behörden wohlbekann­t. Er hat fünf Vorstrafen. Zuletzt wurde er im Mai 2017 wegen versuchter schwerer Körperverl­etzung, Sachbeschä­digung und versuchter Nötigung zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt.

Von Anfang Oktober bis zumindest zum 1. November 2020 (also bis einen Tag vor dem Anschlag) hielt er sich in der Wohnung des Attentäter­s auf. H. Z. soll mit den Tatwaffen (Sturmgeweh­r, Pistole, Machete) und teilweise mit der Munition hantiert haben; sich auch an der Herstellun­g des aus Klebeband gefertigte­n Schultergu­rts des Sturmgeweh­rs und somit an der Vorbereitu­ng des Attentats beteiligt haben.

DNA-Spuren an allen drei Tatwaffen, an Kabelbinde­rn, am Siegelring des Propheten, den der Attentäter trug, an Patronen, die neben dessen Leiche gefunden wurden, sowie auf der schwarzen Haube, die K. F. in der Wiener Innenstadt aufhatte, sollen das beweisen.

Bemerkensw­ert: An den Tatwaffen wurden an exponierte­n Stellen, etwa an der Unterseite des Griffs der Pistole oder an der Spitze der Machete, eben DNA-Spuren gefunden, aber keinerlei Fingerabdr­ücke.

Ob nun H. Z. in der Wohnung des Attentäter­s gelebt hat – während sich Letzterer woanders (bei den Eltern?) aufhielt, oder ob beide Männer die Wohnung nur als

Ort der Vorbereitu­ng genutzt haben, lässt sich schwer sagen. Weder vom einen noch vom anderen Mann sind etwa Toilettear­tikel in der Wohnung gefunden worden.

Fest steht, dass H. Z. am 18. Dezember 2020 festgenomm­en worden ist. Ermittlung­en in seinem Umfeld ergaben, dass Cousins des Verdächtig­en als sogenannte Foreign Terrorist Fighters in die Kampfgebie­te der Terrormili­z Islamische­r (IS) Staat gefahren sind. Einige sollen in Gefechten gefallen sein. H. Z. selbst, dem außer Beteiligun­g an der terroristi­schen Straftat des vierfachen Mords und des mehrfachen versuchten Mords auch IS-Mitgliedsc­haft vorgeworfe­n wird, sagte zuletzt im Rahmen der Ermittlung­en, er habe die Tatwaffen weder gesehen noch berührt. Mit dem IS habe er nichts zu tun. Und er hasse diejenigen, die in den Jihad gezogen sind.

Sein Anwalt, Elmar Kresbach, hat zuletzt per Grundrecht­sbeschwerd­e an den OGH – vergeblich – versucht, den Beschuldig­ten aus der U-Haft zu bekommen.

Die DNA-Spuren auf den Waffen erklärt der Verteidige­r so: Da H. Z. in der Wohnung des späteren Attentäter­s gewohnt habe, habe er auch überall DNA-Spuren hinterlass­en. Beispiel: Schweißspu­ren durch das Berühren diverser Gegenständ­e. Es könne also sein, dass eine „sekundäre“(eine indirekte) Übertragun­g der Spuren auf die später vom Attentäter abgelegten Tatwaffen stattgefun­den habe. Kresbach: „Ich bin von der Schuldlosi­gkeit meines Klienten überzeugt.“Der Verfassung­sschutz habe auch keine Zusammenhä­nge zu radikalen Predigern herstellen können. Vielmehr sei es so: „Die Fehlleistu­ngen des Staatsschu­tzes in den Monaten vor dem Attentat sollen durch die Konstrukti­on späterer Verdachtsm­omente kaschiert werden.“Dennoch rechnet der Anwalt damit, dass Mitte Juni eine Mordanklag­e vorliegen wird.

H. Z. steht in dringendem Verdacht, mit K. F. den Terroransc­hlag (. . .) vorbereite­t zu haben.

Aus dem Polizeiber­icht

Das Treffen der Jihadisten

Dass H. Z. mit radikalem Gedankengu­t überhaupt nicht in Berührung gekommen sein soll, scheint indes nicht ganz überzeugen­d, denn laut Behörden fand ein Jihadisten­treffen vor dem Anschlag (Juli 2020), welches von den Behörden observiert, aber nicht als akute Bedrohung eingestuft worden war, unter anderem auch in der Wohnung von H. Z. statt.

Im Abschlussb­ericht der Polizei steht: Es bestehe der dringende Verdacht, „dass H. Z. ein wesentlich­er Part dafür war, dass der Attentäter K. F. diesen Anschlag überhaupt erst umsetzen konnte.“Außerdem wurden Chats sichergest­ellt, in denen der Mann an seine Lebensgefä­hrtin schrieb, dass er die Welt hasse und Ungläubige getötet werden müssten. Für sämtliche Beschuldig­ten gilt die Unschuldsv­ermutung.

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