Madama Butterfly wird zur modernen Samenjägerin
Wiener Festwochen. Puccinis Oper ist Ausgangspunkt für Kulturkritik: Satoko Ichihara dreht den Spieß um.
Was ist ein Hafu? In Japan werden so Babys mit einem westlichen Vater bezeichnet. Das Wort leitet sich vom Englischen „half“ab. Solch ein Halbes wollen Japanerinnen, die von „weißen“Schönheitsidealen träumen. Solche „Samenjägerinnen“sind in Tokios Vergnügungsvierteln unterwegs, um von Gaijins (Fremden) ein Baby zu bekommen. Diese Story erfährt man wortreich und teilweise vulgär in Satoko Ichiharas Gastspiel „Madama Butterfly“bei den Wiener Festwochen.
Auch das Kind, das in Giacomo Puccinis gleichnamiger Oper eine Geisha von einem US-Offizier kriegt, ist ein Hafu. Die Geschichte geht böse aus. Er lässt die Frau im Stich, sie erdolcht sich, wie das eben so Sitte ist. Wer aber am Sonntag mit der Erwartung ins Brut Nordwest in Wien kam, dass sich Ichihara profund mit der Tragedia giapponese auseinandersetze, sie virtuos als Exotismus enttarne, wurde enttäuscht. Zu Beginn und am Ende ein bisschen Arie („Un bel d`ı, vedremo“), doch Puccini bleibt nur Ausgangspunkt für 105 Minuten anstrengende, ermüdende Reflexionen über Komplexe im Kampf der Kulturen, schlanke Beine, blonde Haare, große Augen.
Die postmoderne Protagonistin kompensiert, indem sie den Spieß umdreht. Ihre Sprache ist explizit, wenn es um Geschlechtsteile und Körperflüssigkeiten geht, aber alles in allem bleibt die Aufführung brav wie mediokres Schülertheater, begrenzt im Ausdruck, statisch. Die Figur referiert ihr Schicksal bloß, assistiert von einer Schauspielerin und einem Schauspieler in mehreren Rollen. Flankiert wird die Szene von Videoscreens, in der Mitte sind Vorhänge, die auch als Leinwand dienen. Dort hüpfen und tanzen in ständigen Clips Manga-Avatare herum, mit denen die Butterfly im modisch-zeitgenössischen Frame in Dialoge tritt. Diese Sets sind recht hübsch anzusehen.
Wann zückt sie endlich den Dolch?
Hinter den Vorhängen befindet sich ein Urwaldgarten. Später steht dort eine Marienstatue, Symbol wohl für großteils gescheiterte Versuche der Christianisierung des Landes, eine Spottfigur, über die sich Lästerungen ergießen, auch via Videos der sprechenden Jungfrau. Gewitzelt wird mittendrin auch übers Theatermachen. Was dieser Ausfall bezweckt, erschließt sich nicht wirklich. Vielleicht erschwert es das Verständnis, dass meist auf Japanisch mit deutschen und englischen Übertiteln sowie punktuell in diesen Sprachen gesprochen wird. Nach einer halben Stunde glaubt man sich in einer quälenden Endlosschleife gefangen. Wann zückt sie endlich den Dolch?