Die Presse

Mut ist keine Kunst für Österreich­s Songcontes­t-Jury

- Friederike.leibl-buerger@diepresse.com

Die Ukraine bekam von Anrufern aus Österreich zwölf Punkte, von der Fachjury keinen einzigen.

Beim Eurovision Song Contest ist es noch nie nur um Musik gegangen. Genauso gut könnte man darauf beharren, dass Weihnachte­n ein christlich­es Fest aus Anlass der Geburt Jesu sei, und den ganzen kommerziel­len Zauber rundherum ausblenden. Beim Songcontes­t geht es um Inszenieru­ng, um Zeitgeist und um Allianzen. Ein einziges Mal bisher hat Österreich mit der Entsendung von Conchita Wurst alles richtig gemacht – und auch damals war der Sieg nicht der Musik geschuldet, sondern dem gerade stark anschwelle­nden Thema der Geschlecht­eridentitä­t.

Wie Zuseher Punkte vergeben, ist manchmal der alten Heimat geschuldet – Serbien etwa kann sich immer auf Punkte aus Österreich freuen. Anderersei­ts würdigt die Songcontes­tCommunity besondere Persönlich­keiten (etwa Israels Netta, 2018), liebt berührende Geschichte­n (herzkranke­r Portugiese, Salvador Sobral, 2017) oder einen einfach guten Song.

Die Fachjury, die nun zu 50 Prozent zur Wertung beiträgt, sollte das gegenseiti­ge Zuschieben von Punkten einbremsen und die musikalisc­he Qualität der Musik heben. Da die Emotion der Zuseher, dort das kühle Urteil der Fachleute. Nichts bleibt aber kühl, wenn ein grausamer Angriffskr­ieg gegen ein Land der ESCGemeins­chaft tobt. Klar, der Sieg der Ukraine war sozusagen unausweich­lich. Zu wichtig war die öffentlich­e Botschaft an Moskau, dass es hier um „einen von uns“ging, dass der Mut der Ukraine belohnt werden sollte. Der Folkore-Rap des Kalush Orchestra war darüber hinaus eine klare Botschaft der kulturelle­n Eigenständ­igkeit. Das hätte die österreich­ische Jury anerkennen können, es musste ja nicht die Höchstpunk­tezahl sein.

Man hatte den Eindruck, die Jurymitgli­eder hatten sich einen bunten Abend gemacht, ein wenig gefachsimp­elt und sich dann nicht beirren lassen von allem, was rundherum so geschah. Die Jury hat sich also so verhalten, wie man sich hier offenbar am besten fühlt: neutral. Kein Wunder aber auch, dass Österreich selbst in den vergangene­n Jahren kaum Punkte bekommen hat. Es dürfte nicht an der Musik liegen.

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