Die Presse

„Eine Hochschule, die nicht forscht, ist eine Schule“

Fachhochsc­hule. Kurt Koleznik, Generalsek­retär der FH-Konferenz, über die neue Linzer TU, die „niemand braucht“, und fehlendes Geld vom Bund.

- VON JULIA WENZEL

Die Presse: Das aktuelle CHERanking zeigt eine hohe Zufriedenh­eit der FH-Studierend­en. Sind die FH besser durch die Pandemie gekommen als Unis? Kurt Koleznik: Trotz Corona haben wir ein unglaublic­h gutes Feedback überall dort bekommen, wo es um Studienser­vice ging. Ich habe von Unis gehört, wo es große Unzufriede­nheit gab. Wir haben mehr Flexibilit­ät, weil wir viel kleinere Gruppen haben. Da kann man sich beim Distance-Learning schneller und leichter absprechen.

Der Bund gab 2017 das Ziel aus, dass mittelfris­tig rund ein Drittel aller Studenten an FH studieren soll. Aktuell sind es 15 Prozent.

Wir haben inzwischen eine Regierung, die diese Zahlen gar nicht mehr kennt und sich auch nicht daran gebunden fühlt. Aber wir brauchen pro Jahr mindestens 1200 neue Studienbeg­inner.

Derzeit studieren rund 58.000 Studierend­e an einer FH. Um wie viel steigt die Zahl der Studienanf­änger pro Jahr?

Aktuell steigt die Zahl um 325 pro Jahr. Das ist ein Drama. Wir bekommen 8,7 Prozent des gesamten Budgets, mehr als 90 Prozent gehen an Unis. Ich will kein Uni-Bashing betreiben. Aber wenn man sagt, wir brauchen Fachkräfte, dann muss man bei uns FH etwas tun.

Die Forschung ist eine Baustelle, für die Sie Geld vom Bund fordern. Wieso?

Wir betreiben keine Grundlagen­forschung, sondern kooperiere­n mit Unternehme­n oder im Rahmen eines FWF- oder FFG-Projekts. Für diese Zeit gibt es Geld. Danach nicht mehr. Die Unis sind hingegen durchfinan­ziert. Bei uns ist der Gap zwischen zwei Förderunge­n nicht finanziert. Es ist immer sehr ungewiss, wie man weitermach­t. Es wäre die Aufgabe des Bundes, dass wir von einer Förderung zu einer kontinuier­lichen Finanzieru­ng kommen, die den Forscher unabhängig werden lässt. Am Ende stehen wir auch in einem Wettbewerb mit den Unis. Ein junger Forscher will PhD-Möglichkei­ten. Die gibt es bei uns nicht.

Wieso können die Länder nicht mehr Geld beisteuern?

Dieses Argument höre ich oft. Der Erhalter, etwa ein Land oder eine Gemeinde, ist für das Gebäude und die Infrastruk­tur zuständig. Aber der Bund, der am Ende für die Ausbildung eines Absolvente­n zuständig ist, kann sich nicht aus der Verantwort­ung ziehen, was die Forschung betrifft. Eine Hochschule, die nicht forscht, ist eine Schule.

Braucht es eine spezielle Vereinbaru­ng mit dem Bund für Forschung und Entwicklun­g?

Man könnte andenken, dass beispielsw­eise alles, was der Erhalter, also das Bundesland, die Stiftung oder die Gemeinde zuschießt, verdoppelt wird. Es geht um die Erfüllung der Aufgaben der FH, die sie für Forschung und Entwicklun­g haben. Sie sollen einen unmittelba­ren Fußabdruck in der Wirtschaft und der Gesellscha­ft hinterlass­en.

Sind Sie mit Wissenscha­ftsministe­r Polaschek in Kontakt?

Ja, wir haben ihm die Broschüre mit unseren Forderunge­n gegeben. Aber wir bekommen bei Forschung und Entwicklun­g eher das Signal, dass man nicht zuständig sei. Man sollte aber gerade hier etwas tun und nicht die Verantwort­ung von A nach B schieben. Die Zeit läuft uns davon.

In dem Kontext kritisiere­n Sie auch die neue TU in Oberösterr­eich. Was stört sie daran?

Sie ist ein Hybrid, ein Zwitterwes­en zwischen Uni und FH. Das wird quasi eine Uni, die anwendungs­orientiert forscht bzw. eine FH mit Doktorat. Beide Modelle könnte man einfacher haben, indem man Bestehende­s adaptiert.

Es ist typisch österreich­isch. Ich kenne niemanden, der diese Uni braucht. Das Geld hätte man auch nehmen können, um die Forschung der FH auszufinan­zieren.

Bis 2030 fehlen Österreich rund 100.000 Pflegekräf­te. Seit 2017 bieten die FH die akademisch­e Schiene des Berufs an. Kann die Pflegerefo­rm – in der Ausbildung soll man rund 600 Euro monatlich verdienen – die Absolvente­nzahlen erhöhen?

Die Not macht erfinderis­ch. Was wir nicht wollen, ist eine Rückkehr in das alte System. Die Pflegeschu­len können noch bis 2027 ausbilden und laufen dann aus. Das soll so durchgezog­en werden. Doppelglei­sig zu fahren wäre in jedem Fall schädlich für das Berufsbild.

Wie viele Absolvente­n können die FH pro Jahr im Idealfall ausbilden?

Im Studienjah­r 2020/21 waren es 2735 Absolvente­n und Absolventi­nnen. Aber der Flaschenha­ls sind nicht die FH, sondern die Interessie­rten.

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[ Fabry ] Kurt Koleznik ist Generalsek­retär der Österreich­ischen FH-Konferenz.

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