Das ewige Ringelspiel mit den Waffenlieferungen
Während die Ukrainer im Osten bangen müssen, wird in der EU über Rüstungsabsprachen gestritten.
Berlin. Zumindest die Verkehrskameras wurden früh abgeschaltet. Wo sich Autofahrer einmal in Echtzeit anschauen konnten, ob ein Stau auf sie wartet, ist seit mehr als neun Wochen nur ein Hinweis zu sehen. „Aufgrund der aktuellen Sicherheitslage werden derzeit keine Bilder gezeigt“, steht da.
Der Grund: In der Ukraine ist Krieg. Und über die deutschen Autobahnen werden militärische Schwergüter verladen. Zu hoch ist das Risiko, die Bilder der deutschen Straßen könnten dem Kreml einen Vorteil bringen.
Schon in den ersten Tagen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine machte Deutschland klar, es werde sich an der Seite des westlichen Verteidigungsbündnisses Nato einbringen. Bis heute streitet das Land darüber, was das genau heißt. In dieser Woche mischte sich auch noch der polnische Präsident, Andrzej Duda, ein. Er warf der deutschen Regierung vor, ein Rüstungsversprechen an die Polen gebrochen zu haben. Dabei geht es um ein Prinzip, das einfach klingt, im Detail aber für viel Verwirrung sorgt: den sogenannten Ringtausch.
Von „enttäuscht“bis „verblüfft“
Die Idee: Die ehemals zur Sowjetunion gehörende Ukraine solle zuallererst mit Waffen sowjetischer Bauart beliefert werden. Mit diesen sind die ukrainischen Soldaten vertraut, vor allem die ehemaligen Mitgliedsländer des Warschauer Paktes verfügen noch über ein großes Arsenal. Was Polen, Tschechien oder Slowenien in die Ukraine liefern, würden westliche Länder wie Deutschland ihnen ersetzen. Damit wäre allen gedient: Die Ukrainer haben Panzer, die sie kennen. Die Deutschen müssen nicht allzu viel westliches Material liefern. Die osteuropäischen EU-Länder können ihre Armeen mit Hightech-Waffen nachrüsten.
Konkret heißt das: Die Polen haben rund 240 T-72 sowjetischer Bauart in die Ukraine gebracht. Dafür wollten sie deutsche Leopard 2 bekommen – und zwar den neuesten Typ A7. Doch dabei soll etwas schiefgegangen sein, sagte Duda etwas kryptisch in einem Interview. Er sei jedenfalls „sehr enttäuscht“. In Berlin wiederum gab sich ein Regierungssprecher „verblüfft“: Von diesem neuen Modell habe selbst die Bundeswehr derzeit nur wenige Stück. Wie die Polen auf die Idee kommen, sie seien lieferbar, könne er sich nicht erklären.
Mehrfachraketenwerfer aus den USA?
Auch die Slowenen streiten mit den Deutschen: 30 T-72 hätten sie anzubieten. Welchen Ersatz sie bekommen, dürfte noch immer unklar sein. Für zusätzliche Verwirrung sorgte Siemtje Möller, die Staatssekretärin im deutschen Verteidigungsministerium: Sie sagte, es gebe eine geheime Nato-Absprache, nach der keine Schützen- oder Kampfpanzer aus westlicher Bauart in der Ukraine landen dürfen. Das erklärt ihr zufolge, warum Deutschland bisher so zögerlich agierte. Ein Nato-Sprecher folgte dieser Sicht nicht: Die Mitgliedsländer könnten frei entscheiden, was sie wann liefern wollen.
Während im Westen gestritten wird, geraten die Ukrainer schwer unter Druck. Am Freitag behaupteten russische Separatisten, die strategisch wichtige Stadt Lyman im östlich gelegenen Donbass eingenommen zu haben. Sjewjerodonezk in der Region Luhansk sei zudem eingekesselt. Laut einem US-Medienbericht überlegt Washington bereits, die ukrainische Armee bald mit Mehrfachraketenwerfern auszustatten.