Die Presse

Das ewige Ringelspie­l mit den Waffenlief­erungen

Während die Ukrainer im Osten bangen müssen, wird in der EU über Rüstungsab­sprachen gestritten.

- V on unserem Korrespond­enten CHRISTOPH ZOTTER

Berlin. Zumindest die Verkehrska­meras wurden früh abgeschalt­et. Wo sich Autofahrer einmal in Echtzeit anschauen konnten, ob ein Stau auf sie wartet, ist seit mehr als neun Wochen nur ein Hinweis zu sehen. „Aufgrund der aktuellen Sicherheit­slage werden derzeit keine Bilder gezeigt“, steht da.

Der Grund: In der Ukraine ist Krieg. Und über die deutschen Autobahnen werden militärisc­he Schwergüte­r verladen. Zu hoch ist das Risiko, die Bilder der deutschen Straßen könnten dem Kreml einen Vorteil bringen.

Schon in den ersten Tagen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine machte Deutschlan­d klar, es werde sich an der Seite des westlichen Verteidigu­ngsbündnis­ses Nato einbringen. Bis heute streitet das Land darüber, was das genau heißt. In dieser Woche mischte sich auch noch der polnische Präsident, Andrzej Duda, ein. Er warf der deutschen Regierung vor, ein Rüstungsve­rsprechen an die Polen gebrochen zu haben. Dabei geht es um ein Prinzip, das einfach klingt, im Detail aber für viel Verwirrung sorgt: den sogenannte­n Ringtausch.

Von „enttäuscht“bis „verblüfft“

Die Idee: Die ehemals zur Sowjetunio­n gehörende Ukraine solle zuallerers­t mit Waffen sowjetisch­er Bauart beliefert werden. Mit diesen sind die ukrainisch­en Soldaten vertraut, vor allem die ehemaligen Mitgliedsl­änder des Warschauer Paktes verfügen noch über ein großes Arsenal. Was Polen, Tschechien oder Slowenien in die Ukraine liefern, würden westliche Länder wie Deutschlan­d ihnen ersetzen. Damit wäre allen gedient: Die Ukrainer haben Panzer, die sie kennen. Die Deutschen müssen nicht allzu viel westliches Material liefern. Die osteuropäi­schen EU-Länder können ihre Armeen mit Hightech-Waffen nachrüsten.

Konkret heißt das: Die Polen haben rund 240 T-72 sowjetisch­er Bauart in die Ukraine gebracht. Dafür wollten sie deutsche Leopard 2 bekommen – und zwar den neuesten Typ A7. Doch dabei soll etwas schiefgega­ngen sein, sagte Duda etwas kryptisch in einem Interview. Er sei jedenfalls „sehr enttäuscht“. In Berlin wiederum gab sich ein Regierungs­sprecher „verblüfft“: Von diesem neuen Modell habe selbst die Bundeswehr derzeit nur wenige Stück. Wie die Polen auf die Idee kommen, sie seien lieferbar, könne er sich nicht erklären.

Mehrfachra­ketenwerfe­r aus den USA?

Auch die Slowenen streiten mit den Deutschen: 30 T-72 hätten sie anzubieten. Welchen Ersatz sie bekommen, dürfte noch immer unklar sein. Für zusätzlich­e Verwirrung sorgte Siemtje Möller, die Staatssekr­etärin im deutschen Verteidigu­ngsministe­rium: Sie sagte, es gebe eine geheime Nato-Absprache, nach der keine Schützen- oder Kampfpanze­r aus westlicher Bauart in der Ukraine landen dürfen. Das erklärt ihr zufolge, warum Deutschlan­d bisher so zögerlich agierte. Ein Nato-Sprecher folgte dieser Sicht nicht: Die Mitgliedsl­änder könnten frei entscheide­n, was sie wann liefern wollen.

Während im Westen gestritten wird, geraten die Ukrainer schwer unter Druck. Am Freitag behauptete­n russische Separatist­en, die strategisc­h wichtige Stadt Lyman im östlich gelegenen Donbass eingenomme­n zu haben. Sjewjerodo­nezk in der Region Luhansk sei zudem eingekesse­lt. Laut einem US-Medienberi­cht überlegt Washington bereits, die ukrainisch­e Armee bald mit Mehrfachra­ketenwerfe­rn auszustatt­en.

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