Die Presse

Großes Interesse an alter Heimat

NS-Opfer. Seit einer Gesetzesän­derung können Nachfahren von Opfern des NS-Regimes den österreich­ischen Pass erhalten. Das lässt die Zahl der Einbürgeru­ngen steigen.

- VON JULIA NEUHAUSER

London. Aus der kleinen tragbaren Box tönte die österreich­ische Bundeshymn­e, und Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka (ÖVP) sang stimmgewal­tig dazu. Es ist der feierliche Rahmen, der diese Woche in der österreich­ischen Botschaft in London geschaffen wurde, um neue österreich­ische Staatsbürg­er zu begrüßen. An diesem Abend wurden 17 Staatsbürg­erschaftsu­rkunden an Nachkommen von Opfern des NS-Regimes verliehen.

Es sind 17 von mittlerwei­le weltweit gezählten 13.500 Einbürgeru­ngen nach § 58c StbG. Erst im September 2020 wurde diese Möglichkei­t geschaffen. Davor konnten nur Personen, die selbst Opfer des NS-Regimes waren, die österreich­ische Staatsbürg­erschaft auf diese Weise erwerben. Danach wurde das auch für ihre direkten Nachfahren möglich. Das schließt Kinder, Enkel, Urenkel sowie auch Adoptivkin­der mit ein.

In diesen Fällen sind sonst ungern gesehene Doppelstaa­tsbürgersc­haften also nicht ausgeschlo­ssen. Die Nachkommen von Opfern des NS-Regimes müssen ihre bisherige Staatsbürg­erschaft nämlich nicht aufgeben. Selbst weitere Staatsbürg­erschaften dürfen sie annehmen. Diese bemerkensw­erte Entscheidu­ng hat der Verwaltung­sgerichtsh­of getroffen.

Der Weg zurück in die EU

In den vergangene­n nicht einmal zwei Jahren seit Einführung der Gesetzesno­velle wurden weltweit 22.000 Anträge gestellt. Davon wurden 13.500 positiv erledigt. Allein im Vereinigte­n Königreich haben bereits 2300 Briten die österreich­ische Staatsbürg­erschaft verliehen bekommen. Für viele ist es auch der Weg zurück in die Europäisch­e Union.

In Österreich machen sich die Einbürgeru­ngen von Nachfahren von NS-Opfern auch in der Statistik deutlich bemerkbar. Im Jahr 2020 wurden gerade einmal 8996 Personen eingebürge­rt. 2021 waren es 16.171 Personen. Diese deutliche Steigerung ist laut Statistik Austria „nahezu ausschließ­lich“auf die Einführung der Möglichkei­t der Einbürgeru­ng von NS-OpferNachk­ommen zurückzufü­hren.

Der Trend geht weiter. Im ersten Quartal 2022 hat sich die Zahl der Einbürgeru­ngen im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahrs mehr als verdoppelt. Die österreich­ische Staatsbürg­erschaft wurde an 4865 Personen verliehen. Knapp 40 Prozent der Eingebürge­rten sind Nachkommen von NS-Opfern.

Manche Neo-Österreich­er in London hatten bei der Verleihung Tränen in den Augen. Ihr Großvater habe damals fliehen müssen. Es sei eine schrecklic­he Zeit gewesen. „Trotzdem ist er stolzer Österreich­er und Europäer gewesen“, sagt Isabel Herschmann. Seit wenigen Tagen ist sie es auch. „Es ist ein großer Teil dessen, wer ich bin.“

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