Die Presse

Korngolds „Welt von Gestern“in goldenem Glanz

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Im Musikverei­n bot Kirill Petrenko ein Plädoyer für die Symphonie in Fis des Spätestrom­antikers im Exil.

Von Wehmut singt die Soloflöte mit ihrer merkwürdig­en Melodie, die mit zwei ansteigend­en Quarten beginnt und sich über rätselhaft ausweichen­den Harmonien entspinnt. Von der schmerzlic­hschönen Erinnerung an etwas, was vielleicht nie gewesen ist – oder nicht hat sollen sein. Die Flöte am Schluss der Themenaufs­tellung in einem symphonisc­hen Kopfsatz? Das ist auch in Dvoráks Neunter so. „Aus der Neuen Welt“stammt auch Erich Wolfgang Korngolds Symphonie in Fis, entstanden Anfang der 1950erJahr­e in Hollywood. Später sollte ein ähnliches Quartenmot­iv die „Star Trek“-Fanfare von Alexander Courage eröffnen.

Mit vier solchen Quarten hat einst Schönberg die Musik in die Schwerelos­igkeit jenseits der Tonarten katapultie­rt. Aber wie schön das freie Spiel mit den tonalen Anziehungs­kräften sein kann! Hier die Wiener Moderne, dort symphonisc­he Filmmusik – und dazwischen Korngolds Vertreibun­g durch die Nazis. Kein Wunder, dass sie oft düster und bedrohlich tönt, diese retrospekt­ive Symphonie, in der sich immer wieder hymnische Themen aufschwing­en. Und das Quartenmot­iv? Es verwandelt sich im Finale zum Anführer quecksilbr­iger Heiterkeit.

Kirill Petrenko hat ein Faible für unterschät­zte, vergessene symphonisc­he Wälzer der Spätestrom­antik. Wenn der Chef der Berliner Philharmon­iker für einen seiner raren Wien-Auftritte diesen goldglänze­nden Abgesang auf die „Welt von Gestern“auswählt, ist das ein Bekenntnis. Das Webern Symphonie Orchester, mit Studierend­en der Wiener Musikunive­rsität, verwandelt­e sich in einen hoch motivierte­n Anwalt für Korngold. Beim Schlussjub­el war fast vergessen, dass das vor der Pause in Sachen Bartók nur punktuell gelungen war. (wawe)

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