Die Presse

Reichenau – auch für die Jungen und mit ihnen!

Programm. Im Sommer spielen Schüler des Reinhardt-Seminars in Wedekinds „Frühlings Erwachen“mit versierten Kollegen.

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Es liegt auf der Hand: Wenn die Leiterin des Max-Reinhardt-Seminars gleichzeit­ig künstleris­che Leiterin der Festspiele Reichenau ist, schreit das förmlich nach einer befruchten­den Kooperatio­n. So präsentier­t Maria Happel heuer „Frühlings Erwachen“von Frank Wedekind mit ihren Schützling­en aus dem Reinhardt Seminar der MDW – Universitä­t für Musik und darstellen­de Kunst.

Von der Schule auf die Bühne

„Es ist großartig, dass wir hinaus aus dem Unterricht direkt auf die Bühne können und die Studentinn­en und Studenten gleich die Möglichkei­t bekommen, ein ganzes Stück an der Seite von versierten Kollegen zu spielen“, sagt Happel. Sie habe „immer die Idee gehabt, ,Frühlings Erwachen‘ mit jungen Darsteller­n zu spielen, und dafür ein Theater gesucht. Durch meinen Start in Reichenau ist das Theater nun zu mir gekommen.“Mit der Inszenieru­ng hat sie Christian Berkel beauftragt: „Er geht zurück in seine Jugend und hat für seine Fassung nach Dingen gesucht, die sich einfach nicht verändern. Natürlich stellen manche die Frage, ob das Stück heute noch relevant sei. Die jungen Menschen heutzutage seien doch alle aufgeklärt. Jedoch: Das erste Mal ist das erste Mal, die Pubertät ist die Pubertät. Daran ändert sich nichts.“

In Gesprächen, auch mit den jungen Darsteller­n, habe Berkel eine neue Fassung geschaffen, um das Stück über erwachende Sexualität, verweigert­e Aufklärung, ungewollte Schwangers­chaft und eine hilflos-verlogene Erwachsene­nwelt, die die Jugend mit ihren Fragen allein lässt, auf seine heutige Bedeutung zu untersuche­n. „In ,Frühlings Erwachen‘ greift

Wedekind kunstvoll alle zentralen Motive dieser ersten Lebenskris­e auf, deren extreme Ausprägung­en im Alltag von Psychiater­n zuweilen mit psychotisc­hen Schüben verglichen werden. Es ist also ernst“, formuliert es Regisseur Christian Berkel drastisch. „Und doch gelingt es Wedekind immer wieder, den Humor, die bis ins Absurde getriebene, oft unfreiwill­ige Komik bloßzulege­n.“Für ihn erzähle Wedekind „neben dem Erwachen der Triebe, Sadismus, Masochismu­s, Masturbati­on, Homosexual­ität, Vergewalti­gung bis zum juvenilen Suizid auch von der Sprachlosi­gkeit in der Ehe und der Fantasielo­sigkeit der Bildungsin­stitution Schule. Und er tut dies in einer Sprache, die noch heute kunstvoll modern anmutet, reich an poetischen, traum- und albtraumha­ft aufscheine­nden Bildern.“

Die jungen Darsteller­innen und Darsteller, darunter Nils Hausotte, Simon Löcker und Seide Noffke, spielen an der Seite von Stefanie Dvorak, Paul Matić, Babett Arens, Michael Masula und Martin Schwab. Letzterer verkörpert alterniere­nd mit Maria Happel

den vermummten Herren, den bei der Uraufführu­ng einst noch Wedekind selbst mimte.

Nicht nur das Ensemble, auch das Publikum soll unter Happel verjüngt werden, was sie just zur Chefinnens­ache erklärt: „Peter und der Wolf“wird von ihr als Erzählerin präsentier­t, während junge Musiker der MDW – Universitä­t für Musik und darstellen­de Kunst Sergei Prokofjews Werk musikalisc­h umsetzen. „Ich finde, man kann gar nicht früh genug damit anfangen, Menschen fürs Theater zu interessie­ren“, sagt Happel. „Der erste Eindruck prägt oft fürs ganze Leben. Daher muss für Kinder das beste und tollste Theater gemacht werden.“Abgesehen von diesem Familienpr­ogramm wurden für das junge Publikum unter 26 Jahren als Neuerung auch Karten zum halben Preis für die regulären Vorstellun­gen eingeführt. (tst)

Diese Seite erscheint mit finanziell­er Unterstütz­ung der Festspiele Reichenau.

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[ Lalo Jodlbauer ] Ensemble und Team „Frühlings Erwachen“beim Probenstar­t.

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