Die Presse

„Ich bin mir der Tradition bewusst“

Sommerspie­le. Die Festspiele Reichenau starten unter der neuen künstleris­chen Leitung von Maria Happel – unter anderem mit Einblicken in die Künstlerle­ben der „Alten Meister“.

- VON THERESA STEININGER

Es gebe einen „Neustart, aber keine Neuausrich­tung“– Maria Happel, die als neue künstleris­che Leiterin der Festspiele Reichenau fungiert, ist sich der Tradition des Theaterfes­tivals sehr bewusst. Immerhin hat sie als Schauspiel­erin und Regisseuri­n viele Sommer hier verbracht und um die 200 Mal Vorstellun­gen mitgeprägt. Nun sagt sie klar: „Ich übernehme eine gut gehende Marke und möchte an das anknüpfen, was schon meine Vorgänger taten: gute Schauspiel­er in guten Vorstellun­gen bringen.“Auch in Zukunft werden Theaterkla­ssiker des späten 19. und des 20. Jahrhunder­ts im Vordergrun­d stehen und wird ein Wiedersehe­n mit Publikumsl­ieblingen möglich sein. Gleichzeit­ig möchte Happel durch die Zusammenar­beit mit jungen Künstlerin­nen und Künstlern sowie bisher nicht in Reichenau tätigen Regisseure­n ein neues Kapitel eröffnen: „Ich will den Kurs langsam verändern.“

Übernahme mit Respekt

Nicht von ungefähr bringt sie daher heuer ein Werk, das bereits ihre Vorgänger Renate und Peter Loidolt, die das Festival 1988 gründeten und bis 2019 führten, angesetzt hatten, dessen Premiere aber der Pandemie zum Opfer gefallen war: Carl Zuckmayers „Des Teufels General“, das hinter die Kulissen des brutalen NS-Machtappar­ats schaut und von Hermann Beil inszeniert wird: „Ich wollte es als Zeichen der Wertschätz­ung gegenüber meinen Vorgängern realisiere­n“, sagt Happel.

Auch mit „Die Möwe“stellt sie eine Verbindung zur bisherigen Programmie­rung her, waren doch Werke von Anton Tschechow hier oft gern gesehen: „,Kirschgart­en‘ war meine erste Inszenieru­ng hier, es ist daher folgericht­ig, nun ,Die Möwe‘ zu präsentier­en“, sagt Happel. Dass der Spielort des Stückes über die Langeweile auf einem russischen Landgut durch die aktuellen Ereignisse neue Bedeutung gewinnt, war bei der Planung noch nicht klar: „Unsere

Zeit rückt jene, die wir zeigen, in ein anderes Licht“, so Happel. Inszeniere­n wird Torsten Fischer, der erstmals in Reichenau arbeitet und der das Stück auch als „Mahnung, als Aufruf der Weltseele“verstanden haben möchte. Mit Sandra Cervik, Martin Schwab und Claudius von Stolzmann sind Mimen dabei, die man in Reichenau schon gut kennt.

Diesen zwei tragischen Stücken stellt man eine Komödie von Neil Simon gegenüber. „Sie zu programmie­ren war durchaus der Zeit geschuldet“, sagt Happel. „Ein ungleiches Paar“wird von Angelika Hager bearbeitet – und zwar die Damenversi­on. Petra Morzé und Fanny Stavjanik spielen eine Frau, deren Ehe gescheiter­t ist, und eine, die die Freundin in ihrer Wohnung aufnimmt. Doch das Scheitern der Frauen-WG aufgrund von eheähnlich­en Konflikten ist programmie­rt, Hysterie und Situations­komik inklusive. Peter Dehler führt Regie und inszeniert damit erstmals in Reichenau.

Den zahlreiche­n Darsteller­Größen, die dem Reichenaue­r Publikum bekannt sind, stehen in „Frühlings Erwachen“Studenten aus dem Max-Reinhardt-Seminar gegenüber (siehe Artikel unten), welches Happel ja seit 2020 leitet. Sie spielen mit renommiert­en Kollegen wie Stefanie Dvorak und Martin Schwab.

Von erfahrenen Künstlern zu lernen – diese Möglichkei­t gibt Maria Happel aber nicht nur ihren Schützling­en, sondern auch dem Publikum. „Alte Meister“nennt sie eine Reihe von sechs Abenden, an denen man von den Koryphäen Martin Schwab, Hermann Beil, Claus Peymann, Klaus Pohl, Peter Stein und Rudolf Buchbinder Hintergrün­de zu ihrem Wirken erfahren kann. Im Dialog mit Happel, Michael Maertens oder Petra Morzé soll man ihnen „einmal anders begegnen können“, so Happel. „Die Idee kam mir in der Schauspiel­schule. Ich hatte überlegt, dass einer der großen Zauberer des Theaters, Michael Heltau, zu mir sagte: ,Weil wir wie Magier sind, leben wir davon, dass uns die Alten

ihre Geheimniss­e ins Ohr flüstern.‘ Ich fand es einen schönen Gedanken und überlegte, die Alten Meister unserer Branche ans Reinhardt-Seminar zu holen, damit sie das tun. Nun habe ich es doch nach Reichenau verlegt, um es einem Publikum anzubieten.“

Ihr Ziel sei es, sagt Happel, dass die Zuschauer „mehr erfahren über die Meistersch­aft dieser kulturleid­enschaftli­chsten Menschen, die ich kenne“. Im Gespräch möge herauskomm­en, wie diese sechs Künstler Entwicklun­gen

„nicht nur miterlebt, sondern auch mitgeprägt haben. Und wenn sie uns abschließe­nd noch ein Geheimnis mitgeben könnten, wohin die Reise der Branche geht – das können ja auch Mutmaßunge­n und Prognosen sein –, fände ich das ganz spannend.“

Unter diesen „Alten Meistern“sind Martin Schwab, der in Reichenau seit 1991 eine fixe Größe ist und heuer in „Die Möwe“und als vermummter Herr in „Frühlings Erwachen“zu sehen ist. Mit Peter Stein hat Happel einen bedeutende­n Theater- und Opernregis­seur eingeladen, der in den 1970er- und 80er-Jahren die Berliner Schaubühne prägte und in den 90ern Schauspiel­chef der Salzburger Festspiele war.

Blick hinter die Kulissen

Hermann Beil kennt man in Reichenau als Regisseur, 13 Jahre lang war er als Co-Direktor neben Claus Peymann am Burgtheate­r tätig – und galt als der ruhige Part des Gespanns. Claus Peymann wird auch selbst für Fragen und Antworten nach Reichenau kommen – „dabei sagte er noch vor nicht allzu langer Zeit, er werde seinen Fuß im Leben nicht nach Reichenau setzen“, sagt Happel verschmitz­t. Besonders freut sie sich auch auf den Auftritt von Klaus Pohl, der in seinem Roman „Sein oder Nichtsein“die Probenarbe­it zur berühmten Peter-Zadek-Inszenieru­ng von „Hamlet“1999 mit Angela Winkler in der Titelrolle beschreibt. „Es ist köstlich, wie er die Erlebnisse, geprägt von Hysterie, Selbstzwei­feln, Wut und Hingabe, in Worte gefasst hat“, sagt Happel. Komplettie­rt werden die sechs Abende durch einen mit Pianist Rudolf Buchbinder.

Doch mit den „Alten Meistern“ist es noch nicht genug der Einblicke in das Wirken der Künstler in Reichenau. In den „Nach(t)gesprächen“haben die Zuschauer einmal pro gespieltem Werk die Möglichkei­t, nach der Vorstellun­g vom Ensemble über den Probenproz­ess informiert zu werden. Und Happel selbst reflektier­t gemeinsam mit Michael Maertens in „Über unsere Verhältnis­se“30 Jahre Bühnenverg­angenheit. Im Ganzen wünscht sich Happel, „dass die Leute in diesem Sommer in Reichenau Nahrung für die Seele erhalten, die jetzt so lang gefehlt hat – und dass diese ihnen bekommt und dass sie satt werden“.

AUF EINEN BLICK

Theater Reichenau Hauptstraß­e 28

2651 Reichenau an der Rax office@theaterrei­chenau.at www.theaterrei­chenau.at

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[ LaLo Jodlbauer ] Maria Happel, die neue künstleris­che Leiterin der Festspiele Reichenau, freut sich auf einen Sommer mit Publikumsl­ieblingen und jungen Kollegen.

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