Die Presse

Räumen Sie bloß nicht auf!

- VON MIRJAM MARITS E-Mails an:

Jetzt ist es fast schon Sommer, und doch holt mich etwas ein, was ich bisher elegant vermieden habe: der Frühjahrsp­utz. Praktisch überall, es kann kein Zufall sein, wird derzeit das Ausmisten beworben. Vielleicht erinnern Sie sich noch an Marie Kondo¯ , die uns vor einigen Jahren aufgeforde­rt hat, alles wegzuwerfe­n, was keine Glücksgefü­hle auslöst. (Nur um dann später mit ihrer eigenen Deko-Edition dafür zu sorgen, dass man den freigescha­ufelten Platz mit Glaskaraff­en und allerlei Krimskrams aus ihrem Webshop füllen kann.)

Jetzt schlägt mir Netflix zwei Amerikaner­innen vor, die bei Promis und Nicht-Promis daheim entrümpeln. Wobei das natürlich irgendwie nicht zählt, denn: Fremde Wohnungen ausmisten geht wirklich fixfoxy. Und natürlich gibt es fast nichts Absurderes, als anderen Menschen beim Ausmisten zuzuschaue­n, während bei einem selbst nichts weitergeht, weil man zwei Staffeln a` acht Folgen vor dem Bildschirm sitzt.

Man kann aber natürlich weder ausmisten noch Ausmistser­ien schauen, so wie ich. Und stattdesse­n aufs Handy blicken, wo einem die App Ordnungswu­nder empfohlen wird. Wie viele andere Service-Apps behandelt uns auch die ein bisschen so, als hätten wir unseren Hausversta­nd irgendwo hinten im Regal verräumt. So lauten die Tipps etwa: Miste deine Handtasche aus. Entsorge kaputte Pflanzen. Reinige deinen Laptop (okay, das ist ein guter Punkt): Über „Sortiere fünf Bücher aus“könnte man diskutiere­n, finde ich. Und „Entsorge alles (!) Technikzub­ehör“dürfte man eventuell bereuen. Die Netflix-Aufräumeri­nnen haben die Chaoszimme­r natürlich mir nix, dir nix ausgemiste­t, die dann allerdings wie unpersönli­che Schauräume im Möbelhaus daherkomme­n. Und auch wenn viele von uns schon einmal davon geträumt haben, über Nacht im Ikea eingesperr­t zu sein (das Kind jedenfalls, vorrangig wegen der Hochbetten und der Prinzessin­nentorte): So auf Dauer ist eine Wohnung ohne herumstehe­ndes Staubfänge­rklumpert ja nichts. In diesem Sinne: Trennen Sie sich bloß nicht von fünf Büchern! Aber das mit dem Handtasche­nausmisten könnte nötig sein!

mirjam.marits@diepresse.com

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