Die Presse

Lernen, in neuen Teichen zu fischen

Arbeit. Um dem Fachkräfte­mangel beizukomme­n, ermutigen Experten, neue Wege zu beschreite­n.

- VON THERESA-MARIE STÜTZ UND SOPHIE WEINHANDL

Das beste Recruiting ist es, die Leute zu behalten, die schon bei uns sind“, sagte Josef Buttinger von Hill Internatio­nal beim „Medien.Mittelpunk­t Ausseerlan­d 2022“. Der Umgang mit den Mitarbeite­rn und ihnen Perspektiv­en zu geben, sei das A und O einer funktionie­renden Unternehme­nsführung. In Österreich klagen Branchen vom Tourismus bis zur Technik über Arbeitskrä­ftemangel. Facharbeit­er werden genauso gebraucht wie ungelernte Arbeitskrä­fte, die die Betriebe selbst anlernen und weiterbild­en können. Laut Rewe-Internatio­nalChef Christoph Matschke fehlten derzeit in seinem Unternehme­n mehr als viertausen­d Leute. Buttinger spricht von einem Arbeitskrä­fte-Teich, aus dem derzeit alle fischen wollen. „Wir haben uns in den vergangene­n Jahren auf Osteuropa verlassen. Dort werden wir uns die Arbeitskrä­fte nicht mehr holen können.“Man müsse neue Wege gehen, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Besonders die Rekrutieru­ng von bisher hinten angestellt­en Gruppen wie Frauen, Menschen mit Beeinträch­tigungen und Menschen über 50 Jahren müsse gefördert werden. „Wir müssen beginnen, in neuen Teichen zu fischen“, sagte Buttinger.

Bei der Strabag, einem der größten europäisch­en Bauunterne­hmen, sind zum Beispiel weniger als 20 Prozent der Beschäftig­ten weiblich. Der Vorstandsv­orsitzende, Thomas Birtel, sieht die körperlich­en Anforderun­gen der Branche hauptveran­twortlich für die schlechte Quote. Doch auch auf Ingenieurs­ebene könne man einen Frauenante­il von weniger als zehn Prozent feststelle­n.

Josef Buttinger spricht sich vor allem für eine bessere Integratio­n von Menschen mit Beeinträch­tigung

in den Arbeitsmar­kt aus. „Wenn jemand eine Beeinträch­tigung hat, bedeutet das nicht, dass er nichts tun kann“, stellte Buttinger klar.

Als zukunftstr­ächtige Regionen für die Suche nach Arbeitskrä­ften schätzt Buttinger Nordafrika und den Nahen Osten ein. „Wir übersehen große Migrations­wellen innerhalb Afrikas“, sagte er und mahnte Europa, sich vorzuberei­ten. Thomas Birtel teilte diese Meinung. In Flüchtende zu investiere­n, mache sich immer bezahlt. „Die Motivation und handwerkli­che Begabung dieser Menschen ist fasziniere­nd“, sagte Birtel.

Lehre dringend aufwerten

In direkter Verbindung mit dem Arbeitskrä­ftemangel stehe auch das schlechte Image der Lehre. „Die klassische Lehre ist zu einem Stiefkind verkommen“, stellte Buttinger fest. Personen, die eine Lehre absolviere­n, sind oft nicht so hoch angesehen wie Menschen, die eine akademisch­e Laufbahn einschlage­n wollen. Dieses Denkmuster müsse dringend geändert werden.

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