„Sind im Krisenmodus“
Energie. Wie werden wir künftig Energie erzeugen? Und werden die Energiepreise wieder sinken?
Im Umgang mit den Klimazielen brauche es derzeit vor allem mehr Pragmatismus. Davon ist Siemens-Chef Wolfgang Hesoun überzeugt, der vor einer Deindustrialisierung des Wirtschaftsstandortes warnte: „Es hat keinen Sinn, zu deindustrialisieren, und dafür haben wir eine positive CO2-Bilanz“, sagte Hesoun bei der vom Verband der Auslandspresse veranstalteten Tagung „Medien.Mittelpunkt Ausseerland“am Ödensee. Die Einführung einer CO2-Abgabe ab Sommer bezeichnete der Siemens-Chef mit Blick auf die Teuerungsrate als „Zynismus“.
Um die Klimaziele 2030 zu erreichen, brauche es laut Hesoun 100 Quadratkilometer FotovoltaikAnlagen, 500 bis 1000 neue Windräder und fünf Wasserkraftwerke von der Dimension des Kraftwerks Freudenau. Das sei in der vorgegebenen Zeit nicht machbar. „Wir sind im Krisenmodus. Da muss man Ziele anpassen“, sagt Hesoun, der das Thema „Energiezukunft“am Podium mit dem Verbundsvorstandsvorsitzenden Michael Strugl sowie mit der deutschen Energieexpertin Marie-Theres Thiell (MTT Connect) diskutierte.
Die Energiepreise werden nie mehr das alte Niveau erreichen, darin waren sich die Diskutanten einig. „Langfristig sind erneuerbare Energien der einzige Weg die Energiepreise niedrig zu halten“, sagte Strugl.
Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien müsse auch ein Netzausbau sowie die Erweiterung der Speicherkapazitäten einhergehen. Gebremst werde der Ausbau alternativer Energiequellen allerdings immer wieder durch Einsprüche der Anrainer. „Eines unserer Projekte wurde zum Beispiel so lange verzögert, dass die Genehmigung für den Windradtypus, den wir errichten wollten, ausgelaufen ist“, erzählte Strugl, der vor allem die Politik gefordert sieht, die mit Gesetzesvorgaben entscheidend dazu beitrage, wie schnell die Energiewende
letztendlich gelinge.
Thiell meinte mit Blick auf Deutschland, dass dort Rechtsfragen oft leichter zu klären seien. Verändert hat sich mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine aber auch die Haltung zur Atomkraft, „die auch in Deutschland gar nicht mehr so böse ist“. Ein Zurück zu dieser Energieform gebe es dennoch nicht, betont die Expertin. Stattdessen werde überlegt, neue Gasfelder zu fördern, „vor drei Jahren war das völlig undenkbar“.
Drohende Abhängigkeit
Einigkeit herrschte bei den Diskutanten über den Wert von Wasserstoff
– dieser sei der Schlüssel zum Energiewandel, weil er speicherbar und nachhaltig produzierbar sei: Doch das ist Zukunftsmusik, eine ökonomische Herstellung derzeit unmöglich. „Um Wasserstoff herzustellen, benötigt es gigantische Mengen grünen Stroms und noch riesigere Flächen“, sagte Hesoun. Von der EU kommt dazu der Vorschlag, ungenutzte Flächen in Osteuropa zu nutzen. Doch auch dies geht nicht ohne Kompromisse: Die EU geht nämlich davon aus, dass mindestens 50 Prozent des Wasserstoffs dennoch importiert werden müssten. Und damit würde man sich wieder abhängig machen.