Die Presse

Real. Ancelottis Zurückhalt­ung und die Entschloss­enheit seiner alten Madrider Garde lassen den Rekordsieg­er jubeln.

- VON JOSEF EBNER

Während Fußball-Europa über die großen zeitgenöss­ischen Spielphilo­sophien debattiert, Jürgen Klopps Pressing-Umschalt-Spektakel, Pep Guardiolas feingeisti­ges Ballbesitz-Orchester, gewinnt die alte europäisch­e Garde mit dem Fußball von gestern die Titel. Real Madrid wird dieses Mal das ChampionsL­eague-Finale (21 Uhr, Servus TV, Dazn, Sky) nicht verlieren. Auch dank Trainer-Veteran Carlo Ancelotti und seiner Taktik, die sich auf den ersten Blick so zusammenfa­ssen lässt: Spielt den Ball zu Benzema.

Beim 34-jährigen Franzosen ist dieser bestens aufgehoben, Benzema steht auf dem Höhepunkt seiner Karriere, ist zu recht großer Favorit bei der Weltfußbal­ler-Wahl. In der Champions League hat er vor dem Finale nicht nur 15 Tore erzielt, sondern stets in den entscheide­nden K.-o.-Partien getroffen.

Ansonsten lässt sich dieses Real von Ancelotti analytisch und taktisch in kein Schema einordnen. „Es gibt keinen Ancelotti-Stil, weil ich mein Spiel nach den Fußballern ausrichte“, sagte der Italiener einmal in „France Football“. Und diese Fußballer gewinnen eben gerade alle wichtigen Partien.

Ancelottis Erfolgsrez­ept ist auch wie gemacht für ein Finale. Wieder wird er seinen Profis das Selbstvert­rauen stärken und sie dann einfach spielen lassen. Endspiele sind kein guter Platz für Taktik-Experiment­e, Ancelottis bisher letztes ging krachend daneben (0:4 im Clá sico gegen Barcelona).

Meister in allen fünf Topligen Europas

Spieler beschreibe­n den 62-Jährigen als väterliche­n Freund, herzlich, jedoch streng, wenn nötig. Anders als noch bei Bayern München genießt er in Madrid ihr vollstes Vertrauen, bei der Meisterfei­er posierte er mittendrin mit Zigarre und Sonnenbril­le. Allzu sehr soll es Ancelotti mit seiner Arbeit nie übertreibe­n. Bayerns Musterschü­lern war sein Training zu lasch, bei Paris SG ließ er ein Restaurant auf dem Trainingsg­elände eröffnen, bei Napoli verabschie­dete er sich nach dem Nachmittag­straining nach Capri, um dort zu speisen. Und dennoch: Als erster Trainer überhaupt wurde er in allen fünf europäisch­en Topligen Meister.

Dass er nun sein insgesamt fünftes Champions-League-Finale (drei Titel) erreicht hat, ist auch Fortuna geschuldet. Mehr als einmal standen die Königliche­n vor dem Aus, doch das Glück des Tüchtigen brachte Real stets zurück. Ancelotti weiß genau, was zu tun ist, damit sein Team ins Spiel zurückfind­et. Er weiß auch, dass die Leistungen bis zu diesem Finale alles andere als perfekt waren. „Aber was Einsatz und Motivation betrifft, war niemand besser als wir“, sagt er. Außerdem gelte für ein Finale ohnehin: „Du musst dir den Sieg mit dem verdienen, was du in diesem Spiel machst, und nicht damit, was du davor gemacht hast.“

Was manche dieser Tage nicht zu Unrecht als Fußball von gestern bezeichnen, ist im Finale nun Reals Trumpf. Madrids alter Champions-League-Adel kann nach wie vor mit den stilprägen­den englischen Superteams mithalten. Benzema, 34, Modrić, 36, und Kroos, 32, hatten Liverpool schon 2018 im Finale besiegt, ohne sonderlich zu glänzen. Auch 2016 und 2017 triumphier­ten sie, die Champions League ist nun einmal Reals Revier (13 Titel, Rekord). Selbst Neuzugang David Alaba weiß, wie man sie gewinnt.

„Einige meiner Spieler könnten mir beibringen, wie man ein Finale spielt, sie haben mehr bestritten als ich“, meinte Ancelotti, als Aktiver einst Schlüssels­pieler in Arrigo Sacchis legendärem Milan. „Die Kabinenans­prache ist leicht für mich, ich brauche nicht einmal etwas zu sagen. Sie wissen besser als die meisten, was zu tun ist.“

Real spielt mit: Courtois; Carvajal, Eder Militao, Alaba, Mendy; Casemiro, Kroos, Fede Valverde, Modric´; Benzema, Vinicius jr.

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[ Reuters ] Ohne ihn wären die Königliche­n chan- cenlos: Karim Benzema.

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