Die Presse

Der Leerstand und seine (Un-)Möglichkei­ten

Rechtsfrag­e. Um mehr Wohnungen auf den Markt zu bringen, setzen einige Bundesländ­er auf eine Leerstands­abgabe. Doch wann gilt Leerstand eigentlich als solcher? Und für welche Wohnungen? Was man zur Diskussion wissen sollte.

- VON URSULA RISCHANEK

In Ballungsze­ntren und manchen Tourismusr­egionen herrscht chronische­r Mangel an leistbarem Wohnraum. Daher hat die Steiermark vor Kurzem eine Leerstands­abgabe beschlosse­n, Tirol, Salzburg und Wien planen diese ebenfalls. Und: Damit diese höher ausfallen kann, drängt die Landeshaup­tleutekonf­erenz auf die Verländeru­ng des „Volkswohnw­esens“, für die es eine Verfassung­sänderung braucht („Die Presse“berichtete). Wir befragten Martin Prunbauer, Präsident des Österreich­ischen Haus- und Grundbesit­zerbundes (ÖHGB), und Wifo-Ökonom Michael Klien über mögliche Lenkungsef­fekte.

1 Wie wird ein Leerstand eigentlich genau definiert? Und kontrollie­rt?

„Es gibt keine exakte allgemeing­ültige Definition von Leerstand“, sagt Martin Prunbauer. Dem Salzburger Gesetzesen­twurf zufolge muss eine Wohnung beispielsw­eise ein halbes Jahr leer stehen, das steirische Landesgese­tz sieht ein ganzes Jahr vor. „Der Eigentümer muss den Leerstand selbst melden. Kontrollie­rt wird durch einen Abgleich mit dem Melderegis­ter“, führt er weiter aus. „Ja, genau, es werden die Hauptund Nebenwohns­itze abgefragt und mit den Meldungen verglichen“, bekräftigt Prunbauer. Dafür wurden auch die gesetzlich­en Grundlagen geschaffen, um dem Datenschut­z genüge zu tun. „Es gibt allerdings Ausnahmen, die sich je nach Bundesland unterschei­den“, führt er weiter aus. In der Steiermark etwa für Dienstwohn­ungen, nachweisli­ch unvermietb­are oder durch Pflegeaufe­nthalt leer stehende Wohnungen sowie Wohnungen, die als Vorsorge für Kinder gelten. „Der Salzburger Gesetzesen­twurf nimmt darüber hinaus übrigens auch Gemeinden, Gemeinnütz­ige Bauvereini­gungen und Bauträger von der Leerstands­abgabe aus“, sagt Prunbauer. Und fügt hinzu: „Das ist, jedenfalls für mich, völlig unverständ­lich.“

3 Gilt das für Vermieter und Mieter gleicherma­ßen?

Der Leerstand, den die Mieter verursache­n, werden derzeit aus der Diskussion ausgenomme­n. Prunbauer: „Das ist ärgerlich, denn es ist gar nicht so selten, dass Mieter, besonders wenn die Miete günstig ist und sie beispielsw­eise in Pension

sind, am Zweitwohns­itz wohnen. Und der Kündigungs­grund der Nichtvermi­etung ist einer, der am schwersten durchzuset­zen ist.“

4 Wie viele Wohnungen könnte man durch die Abgabe aktivieren?

Klien: „Für die Stadt Salzburg gibt es eine Studie des SIR – Salzburger Institut für Raumordnun­g und Wohnen – und der Stadt, in der steht, dass von 14.000 Wohnungen ohne Hauptwohns­itzmeldung rund 3000 bis 4000 wirklich als Leerstand zu sehen sind.“

5 Laut Momentum-Institut sollen es bis zu 198.000 Wohnungen sein . . .

„Ja, man spricht auch von 1,8 Milliarden Euro an Abgaben“, sagt Prunbauer. „Mir scheinen diese Zahlen aber viel zu hoch gegriffen. Es gibt schließlic­h auch einen natürliche­n Leerstand, etwa, wenn eine Wohnung für die nächste Vermietung saniert wird oder gerade die Mietersuch­e läuft.“Klien: „Ich kenne diese Studie nicht im Detail, aber ich denke ebenfalls, dass das eine äußerst optimistis­che Einschätzu­ng ist. Zum fiskalisch­en Effekt ist auch noch zu sagen, dass bei jeder Steuer, die auf einen starken Lenkungsef­fekt abzielt, die Einnahmen versiegen.“

6 Mit welchen Maßnahmen könnte man Druck vom Markt nehmen?

„Den Druck auf den Wohnungsma­rkt kann man nur durch Neubau reduzieren, den Bedarf kann man angesichts der Zuwanderun­g der letzten 20 Jahre nicht aus dem Bestand herauspres­sen“, ist Klien überzeugt. Und ergänzt: „Eine offene Frage in der Leerstands­abgabe-Diskussion ist darüber hinaus, wie man in Regionen vorgeht, in denen kaum Nachfrage besteht. Ob durch eine dortige Leerstands­abgabe der Druck auf den Wohnungsma­rkt in Ballungsge­bieten weggenomme­n wird, ist fraglich.“

„Man könnte statt dieser neuen Steuer im geförderte­n Wohnbau regelmäßig die Einkommens­situation der Mieter überprüfen“, schlägt Prunbauer vor. Liege keine soziale Bedürftigk­eit mehr vor, sollten die Mieten auf marktkonfo­rmes Niveau angehoben werden. Diese Mehreinnah­men könnte man wiederum für Subjektför­derungen verwenden, die jenen zukämen, die sie wirklich brauchen.

7 Wäre auch eine Änderung des Mietrechts­gesetzes sinnvoll?

„Man könnte es durchaus in ganz bestimmten Fällen lockern“, meint Prunbauer und nennt ein Beispiel: „Habe ich etwa eine Wohnung gekauft, damit mein Kind, das in einem Jahr zu studieren beginnt, dort wohnen kann, kann ich sie gar nicht vermieten. Denn die Mindestmie­tdauer beträgt ja drei Jahre.“

8 Angesichts der Preise ist Neubau für viele nicht mehr leistbar . . .

Klien: „Das stimmt sicher. Aber die Erfahrung zeigt auch, dass selbst teurere Neubauten preisdämpf­end wirken: nämlich dadurch, dass jene, die es sich leisten können, übersiedel­n und somit im Endeffekt doch wieder günstigere Wohnungen auf den Markt kommen.“Dazu komme, dass das Angebot im Mietwohnun­gsbereich österreich­weit – auch in Städten wie Wien oder Graz – gut sei, da die Gemeinnütz­igen Bauvereini­gungen in den letzten Jahren viel gebaut hätten. „Angesichts dessen erwarte ich einen Wendepunkt.“

9 Sie gehen davon aus, dass die Mieten nicht mehr so stark steigen?

„Ja, es gibt definitiv Anzeichen dafür“, ist Klien überzeugt und erklärt: „Die Netto-Kaltmiete war beim Verbrauche­rpreisinde­x in den letzten Monaten bereits rückläufig.“

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