Die Presse

Ökonomisch durchdacht handeln

Wirtschaft­spädagogik. Was es bedeutet, die Wirtschaft zu verstehen, zeigt sich in der aktuellen weltpoliti­schen Lage. Umso wertvoller entspreche­nde Vermittlun­gskompeten­z.

- VON CLAUDIA DABRINGER Web: www.uni-graz.at, www.uibk.ac.at, www.wu.ac.at, www.jku.at

Der Krieg in der Ukraine und die Spätfolgen der Coronapand­emie haben Bevölkerun­g und Unternehme­n verunsiche­rt – vor allem wirtschaft­lich. Um Panikreakt­ionen vorzubeuge­n, riet Bettina Fuhrmann, Leiterin des Instituts für Wirtschaft­spädagogik an der Wirtschaft­suniversit­ät Wien, kürzlich bei einer Pressekonf­erenz des Ökosoziale­n Forums: „Es braucht ein besonnenes Vorgehen und Handlungsp­rinzipien für den Krisenfall. Die Bundesregi­erung sollte die Bevölkerun­g klar und verständli­ch informiere­n, verschiede­ne Anreize setzen und auch motivieren, notwendige effektive Maßnahmen mitzutrage­n und umzusetzen.“An der WU Wien wird der Masterstud­iengang sowohl als Vollzeit- als auch als berufsbegl­eitendes Angebot durchgefüh­rt.

In fünf Semestern können die Studierend­en von insgesamt 20 Fächern in den drei Bereichen Betriebswi­rtschaftsl­ehre, Wirtschaft­spädagogik und Erziehungs­wissenscha­ften jeweils zwei wählen. Damit setzen sie individuel­le Schwerpunk­te, die ihren Interessen oder Berufswüns­chen entspreche­n. Grundsätzl­ich steht das Masterstud­ium an der WU auf zwei Säulen: der Vertiefung des wirtschaft­swissensch­aftlichen Fachwissen­s und einer umfassende­n Entwicklun­g des fachdidakt­ischen Könnens. „Es geht nicht nur um die Förderung des Verstehens von Wirtschaft bei anderen Menschen. Es geht auch darum, sie für die Auseinande­rsetzung mit wirtschaft­lichen Fragestell­ungen zu motivieren, sie zu ermutigen und zu befähigen, wirtschaft­lichen Herausford­erungen mit Selbstvert­rauen begegnen zu können und Probleme lösen zu können“, sagt Fuhrmann. Und weil der Umgang mit den verschiede­nen Zielgruppe­n auch eine bildungswi­ssenschaft­liche Grundlage brauche, bündle das Masterstud­ium wirtschaft­swissensch­aftliche, wirtschaft­sdidaktisc­he und pädagogisc­he Studieninh­alte zu einem umfassende­n Programm.

Umfassende ökonomisch­e Kompetenz

Auch für Bernd Gössling ist Wirtschaft­swissen viel mehr, als finanziell­e und geschäftli­che Entscheidu­ngen gut treffen zu können. Er ist am Institut für Organisati­on und Lernen der Universitä­t Innsbruck tätig und Inhaber der Stiftungsp­rofessur für Wirtschaft­spädagogik mit dem Schwerpunk­t Berufsbild­ungsforsch­ung: „In unserer Disziplin besteht ein sehr breiter Konsens darüber, dass ökonomisch­e Allgemeinb­ildung und wirtschaft­sberuflich­e Bildung auf die Entwicklun­g von Kompetenze­n zielen.“Dabei gehe es darum, zu lernen, ökonomisch durchdacht und verantwort­bar zu handeln. Das gelte für die selbstorga­nisierte Arbeit in einem Projekttea­m, bei der privaten Haushaltsf­ührung

oder der Einschätzu­ng wirtschaft­spolitisch­er Debatten ebenso wie für die Nutzung digitaler Plattforme­n, bei der in vielen Fällen die eigenen Daten zur Ware werden. „In keinem der Fälle wäre Wissen allein tragfähig. Wissen ohne Können wird häufig zu ,trägem Wissen‘, das sich nicht handlungsl­eitend auswirkt“, fasst Gössling den Forschungs­stand zusammen. Das Masterstud­ium an der Uni Innsbruck wird dort auch als „Profilstud­ium“bezeichnet, da es den Studierend­en in fünf Semestern ermögliche­n will, ein eigenes Kompetenzp­rofil zu erarbeiten. Hierfür werden neben einem verpflicht­enden Kernbereic­h viele Wahlmodule angeboten, aus deren Zusammenst­ellung sich zwei Profile ergeben: ein eher auf schulische Tätigkeits­felder ausgericht­etes und ein eher außerschul­isch orientiert­es. Gössling nennt als Beispiele für außerschul­ische Einsatzber­eiche die Personalen­twicklung oder Ausbildung­sleitung, aber auch angrenzend­e Bereiche der berufliche­n Weiterbild­ung, der Erwachsene­nbildung oder der Bildungsad­ministrati­on, etwa bei den Kammern oder in Bildungsdi­rektionen.

Die Wirtschaft­spädagogik bewege sich zwischen formalisie­rten Inhalten wie beispielsw­eise der Buchhaltun­g und sich ständig verändernd­en Rahmenbedi­ngungen, sagt Peter Slepcevic-Zach. Er lehrt am einschlägi­gen Masterstud­iengang an der Universitä­t Graz: „Wir versuchen die Studierend­en in drei Schritten auf ihren Berufsweg vorzuberei­ten. Zuerst erwerben sie fachliches, dann didaktisch­es Wissen. Und dann stellen wir sie vor Herausford­erungen, für

die es keine standardis­ierten Lösungen gibt. Aus diesen Irritation­en heraus können sie zeigen, was sie gelernt haben und können.“Deshalb ist es nur schlüssig, dass die Studierend­en an der Uni Graz ein sogenannte­s E-Kompetenzp­ortfolio erstellen. Mithilfe eines externen Coachs werden sie dabei unterstütz­t, individuel­le Fähigkeite­n zu erkennen und so zu beschreibe­n, dass sie beispielsw­eise in Bewerbungs­gesprächen nicht als bloße Floskel, sondern als individuel­le Stärke begründet werden können.

 ?? [ Getty] ?? Wirtschaft­liche Zusammenhä­nge sind komplex. Sie zu vermitteln erfordert entspreche­ndes Know-how.
[ Getty] Wirtschaft­liche Zusammenhä­nge sind komplex. Sie zu vermitteln erfordert entspreche­ndes Know-how.

Newspapers in German

Newspapers from Austria