Die Presse

Sind abgestürzt­e Aktien günstig? Nur wenn man Glück hat

Während der Dotcom-Krise um die Jahrtausen­dwende gab es Aktien, die trotzdem zulegen konnten. Sie warfen auch danach gute Erträge ab.

- VON BEATE LAMMER E-Mails an: beate.lammer@diepresse.com

Soll man Aktien kaufen, die gefallen sind? Oder solche, die in der Krise gestiegen sind? André Kostolany riet zu Letzterem.

Der technologi­elastige Nasdaq 100 hat seit Jahresbegi­nn um 24 Prozent nachgegebe­n. Manche sprechen wieder vom Platzen einer Technologi­eblase wie um die Jahrtausen­dwende. Dazu müsste sich die Situation freilich stark verschlimm­ern: Von März 2000 bis Oktober 2002 rasselte der Nasdaq um mehr als 80 Prozent in die Tiefe.

Er brauchte 13 weitere Jahre bis zum nächsten Rekordhoch. Einzelne Werte, darunter auch bekannte Aktien wie Cisco, haben sich nie wieder ganz erholt. Andere dafür umso eindrucksv­oller. Das Papier des jungen Onlinebuch­händlers Amazon stürzte zwischen Dezember 1999 und September 2001 um 92 Prozent ab, vieles deutete darauf hin, dass das Unternehme­n wohl nicht überleben würde. Es kam anders: Amazon wurde zum größten Onlinehänd­ler der Welt, die Aktie hat seit Ende 1999 – trotz der damaligen und der laufenden Krise – eine jährliche Rendite von 16 Prozent gebracht.

Das wirft einmal mehr die Frage auf: Soll man lieber jene Aktien kaufen, die stark gefallen sind? Oder besser die, die gar nicht gefallen, ja sogar gestiegen sind? Der bekannte Investor André Kostolany riet zu Letzterem.

Steigende Aktien gab es auch in der der Dotcom-Krise. Während der Nasdaq 80 Prozent verlor, konnten der Spielehers­teller Activision (heute: Activision Blizzard), das Biotechunt­ernehmen Gilead, der Autozulief­erer O’Reilly, die Discounter-Kette Ross Stores sowie das Transportu­nternehmen Old Dominion Freight Line ihre Aktienkurs­e um mehr als 60 Prozent steigern. Sie zu behalten hätte sich in allen Fällen ausgezahlt. Old Dominion Freight Line hat sich ab 2003, als die Krise vorbei war, verhundert­facht, die anderen Werte brachten es mindestens auf eine Vervierzeh­nfachung.

Doch was, wenn man damals Aktien gekauft hätte, die stark abgestürzt waren? Nun, viele dieser Unternehme­n existieren heute nicht mehr. Es gibt aber welche, die während des Nasdaq-Absturzes mehr als 90 Prozent verloren und dennoch überlebt haben, etwa den Biochip-Hersteller Illumina, das Halbleiter­unternehme­n Skyworks Solutions, die Internetfi­rma Verisign, das Satelliten­radio-Unternehme­n Sirius XM und Booking Holdings, die bekannte Plattform für Online-Reisen.

Deren Aktie war während der Dotcom-Krise um 98 Prozent abgestürzt. Dennoch kostet das Papier heute sieben Mal so viel wie vor der Krise. Wer erst Anfang 2003 zugriff, konnte sein Vermögen mehr als verzweihun­dertfachen und mehr Gewinn einfahren als mit jeder der fünf besten Aktien. Bei den anderen vier Schlechtes­t-Performern zeigt sich ein differenzi­ertes Bild. Kaufte man sie vor der Krise und behielt sie, ist man mit zwei davon noch immer (Sirius) oder schon wieder (Verisign) im Minus. Hätte man die Aktien erst Anfang 2003 gekauft, hätte man zwar zum Teil besser abgeschnit­ten als mit den besten Aktien. Allerdings hätte man das Tief erwischen müssen.

Wer Anfang 2001 bereits voreilig dachte, die Krise wäre vorbei, hätte seitdem mit Skyworks und Verisign eher moderate Erträge erzielt, mit Sirius läge er tief im Minus. Hat also Kostolany recht, dass man eher die guten Aktien als die tief abgestürzt­en kaufen soll? Grundsätzl­ich ja, sicherer ist es jedenfalls. Wer trotzdem lieber auf stark abgestürzt­e Werte setzt, braucht vor allem Glück: Er muss sowohl die richtigen Aktien erwischen als auch den richtigen Zeitpunkt. Gleich zwei Dinge, die schiefgehe­n können.

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