Immo-Aktien: Die Zinsen ändern die Spielregeln
Aktien. Bei Immobilienfirmen herrschten jahrelang goldene Zeiten. Die gehen nun zu Ende. Was aber bedeutet das für ihre Aktionäre?
Wien. Gefühlt liegen die Zinsen in Europa ewig bei null, und tatsächlich hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen seit der Finanzkrise 2008 gekappt. Seither verschimmeln Milliarden auf Sparbüchern, und seit die Inflation stark steigt, erodieren die Guthaben förmlich. Kreditnehmer profitierten lang vom billigen Geld. Immobilienfirmen stehen da in vorderster Front, weil sie ihre zumeist großen Projekte vorwiegend mit Fremdmitteln finanzieren.
Jetzt aber scheinen die goldenen Zeiten auch in Europa vorbei zu sein: Nachdem die US-Notenbank schon zwei Zinserhöhungen vorgenommen hat, will auch die EZB an der Zinsschraube drehen, um gegen die Inflation zu steuern. Ein erster Schritt soll im Juli erfolgen. Damit wird fremdes Geld auch in Europa teurer. Die Bauzinsen, die von Jänner bis Mai um rund zwei Prozentpunkte angezogen haben, sind ein guter Indikator. Private Schuldner dürften das rasch spüren, wenn sie einen variabel verzinsten Kredit haben. Nicht wenige dürften Probleme haben, die höhere Rückzahlung zu stemmen.
Solide Bilanzen
Was aber bedeuten steigende Zinsen nun für Immobilienfirmen und ihre Anleger? Aktien von Immofinanz, S Immo,
CA Immo und
UBM sowie der deutschen Vonovia liegen in vielen Portfolios. Die positive Nachricht vorweg: Immofinanz (das Übernahmeoffert der CPI Property Group von Radovan V´ıtek endete am Wochenende), S Immo und CA Immo sowie Vonovia weisen solide Bilanzen auf, betont Christoph Schultes, Chief Analyst des CEE-Equity-Teams mit Schwerpunkt Immobilien der Erste Group. Mit einer Eigenkapitalquote von über 45 Prozent stehen die österreichischen Unternehmen finanziell auf starken Beinen.
Das gilt auch für den deutschen Branchenprimus bei Wohnimmobilien, Vonovia: Die deutlich auf knapp 70 Milliarden Euro gestiegenen Verbindlichkeiten und die auf 31,3 Prozent gesunkene Eigenkapitalquote sind Folgen der Übernahme der Deutsche Wohnen. Auf der Habenseite der Firmen steht auch ein
attraktives, breites Portfolio von Wohn- und Gewerbeimmobilien. „Die Inflation ist zwar hoch, aber die Mieten sind großteils indexiert, was einen gewissen Schutz darstellt“, sagt Schultes.
Dividenden und Cashreserven
Die Realzinsen bewegten sich noch im negativen Bereich. Zudem zahlen die Unternehmen gute Dividenden und verfügen über hohe Cashreserven. Bei Immofinanz ist es eine Milliarde, bei CA Immo sind es 633 Millionen. Die S Immo, die mit der CPI denselben Großaktionär wie die Immofinanz hat, weshalb eine Fusion wahrscheinlich ist, hat aus dem Verkauf der Aktienpakete an CA Immo und Immofinanz 775 Millionen Euro lukriert.
Faktum sei jedoch, dass einerseits steigende Zinsen die Attraktivität von Aktien – besonders von Immobilienaktien – sinken lassen, weil andere Anlageprodukte wieder interessanter werden. Auch die Nachfrage nach Immobilien – Stichwort Betongold – dürfte zurückgehen, was die Preise drücken könnte. Andererseits steigen die Finanzierungskosten, was die Margen schmälert. Ein Umstand, den auch die Analysten von JP Morgan, Goldman Sachs und Warburg bei ihrer Einschätzung der Vonovia-Aktie ins Treffen führen. Sie belassen ihre Empfehlungen auf „Übergewichten“bzw. „Kaufen“, Goldman und Warburg haben aber die Kursziele gesenkt.
Nur scheinbar billig
Schultes stellt den heimischen Firmen ein gutes Zeugnis aus. Aber: „Auch wenn die Aktien um 20 bis 30 Prozent unter dem inneren Wert (Net Asset Value, NAV) notieren, erscheint das Kurspotenzial im Moment doch limitiert zu sein, da vergleichbare Unternehmen in Europa teilweise noch
deutlicher unter dem NAV gehandelt werden, was wiederum die Angst der Investoren vor steigenden Zinsen und Inflation widerspiegelt.“Zudem wurden und werden die Kurse von Immofinanz und S Immo durch die Übernahmefantasie gestützt. „Die Situation ist für einen Einstieg schwierig. Mittel- bis langfristig gesehen ist die CA Immo aufgrund der Qualität ihrer Immobilien und der Grundstückreserven am besten aufgestellt.“Vonovia-Papiere haben sich im vergangenen Quartal um 23 Prozent verbilligt.
Für Immobilien-Entwickler ist die Situation herausfordernd: „Weil steigende Baukosten die Margen unter Druck setzen, verschieben sie nun Projekte“, so Schultes. Developer mit einer weniger stabilen Bilanz und hohem kurzfristigen Finanzierungsbedarf könnten Probleme bekommen. Die heimische UBM gehöre aber nicht dazu, „die ist sehr gut aufgestellt“, meint der Erste-Group-Experte.
Harte Zeiten könnten nach Meinung von Fachleuten hingegen für mittlere und kleinere Immofirmen anbrechen. Viele nutzten die Nullzinsphase und kamen in den vergangenen 15 Jahren neu auf den Markt. Einige haben mit dem Billiggeld hoch gepokert. Dazu zählte Eyemaxx, die Ende 2021 pleiteging. Und in Deutschland Adler Group, die von Vonovia gerettet wurde.