Die große Verschiebung am Aktienmarkt
Paradigmenwechsel. Titel, die in den vergangenen Jahren für die Rallye verantwortlich waren, stürzten nun besonders ab. Die TechAktien mit dem Kürzel Faang sind nicht mehr in Mode.
New York. Die Verkaufswelle der vergangenen Wochen und Monate war brutal, sie erfasste fast alle Kategorien und aus geografischer Sicht praktisch die ganze Welt. Kann man so sagen, man kann es aber auch ganz anders sehen. In der Tat spielen gerade einmal acht Aktien eine fundamentale Rolle im aktuellen Crash. Wer etwa glaubt, mit einem globalen Indexfonds breit gestreut investiert zu sein, sollte etwas genauer hinsehen – und die Strategie möglicherweise ein wenig anpassen.
Viel war im Zuge der historischen, jahrelangen Rallye von den sogenannten Faang-Aktien die Rede. Die Papiere von Facebook, Apple, Amazon, Netflix und der Google-Mutter Alphabet stiegen in luftige Höhen, zwischenzeitlich stellten sie mehr als 25 Prozent des gesamten Börsenwerts des S&P 500 Index. Man darf sich das auf der Zunge zergehen lassen: Eine Handvoll Firmen, die mehr als ein Viertel des weltwichtigsten Börsenbarometers, der aus 500 Unternehmen besteht, ausmachen. Breite Streuung sieht anders aus.
Riesen zogen Indizes hinunter
Es kam wie so oft im Leben: Wenn ein Pendel stark in eine Richtung ausschlägt, findet es seinen Weg meist auch deutlich wieder zurück in die andere Richtung. Federführend trugen die Faang-Aktien zum Absturz in diesem Jahr bei. Alle fünf Papiere befinden sich im Bärenmarkt, haben also mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Höchstwert eingebüßt. Netflix notiert mehr als 70 Prozent im Minus. Facebook, das mittlerweile Meta heißt, hat mehr als die Hälfte seines Werts verloren und Amazon knapp die Hälfte.
Rechnet man zu den FaangPapieren nun noch Microsoft, Tesla und Nvidia hinzu, ergibt sich ein ganz besonderes Bild: Acht Aktien sind für 60 Prozent des Absturzes des S&P 500 im heurigen Jahr verantwortlich. Bedeutend ist das nicht nur für die USA, sondern für die gesamte Börsenwelt. Laut der US-amerikanischen Wertpapierindustrieund Finanzmarkt-Vereinigung Sifma zeichneten die USA per April für 42 Prozent des weltweiten Aktienmarktes. China und die Europäische Union bringen es auf jeweils zehn Prozent. Der Absturz der genannten acht US-Aktien machte also ein Viertel des Verlustes der Weltbörsen in diesem Jahr aus.
Kleinanleger dürfen sich diese Dominanz des Technologiesektors stets vor Augen halten, wenn sie an die Zusammensetzung ihres Portfolios denken. Trotz der Talfahrt im heurigen Jahr macht der TechSektor immer noch mehr als 20 Prozent des S&P 500 aus, mehr als jeder der anderen zehn Sektoren des Börsenbarometers. Die Finanzindustrie und der Gesundheitssektor tragen jeweils etwas mehr als zehn Prozent bei, die klassische Industrie acht Prozent und der Bereich Energie, inklusive Öl, weniger als fünf Prozent.
Hohe Tech-Gewichtung
Wer also, wie es der Starinvestor Warren Buffett stets empfiehlt, einen Indexfonds auf den S&P 500 hält, ist stark im Technologiebereich investiert – vielleicht unverhältnismäßig stark. Natürlich muss daran grundsätzlich nichts falsch sein, vor allem dann nicht, wenn man an die langfristige Zukunft und weitere Rallyes in diesem Bereich glaubt. Tech-Aktien leiden nun einmal ganz besonders unter der Inflation und der Aussicht auf höhere Zinsen, auch weil ihre in der Zukunft liegenden Gewinne dann heute weniger wert sind. Das Blatt kann sich in der Tat wieder wenden, etwa wenn die Notenbank Fed die geldpolitischen Zügel im nächsten Jahr lockern würde.
Unter Umständen macht es im Zuge der Diversifizierung aber Sinn, Aktien jener Firmen zu kaufen, die im S&P 500 im Vergleich zu ihrer allgemeinen Bedeutung unterrepräsentiert sind. Laut den Analysten von S&P Dow Jones Indices haben die Ölfirmen ExxonMobil, Chevron und ConocoPhillips sowie die Pharmakonzerne Merck und AbbVie den Markt heuer am stärksten gestützt. Trotzdem, und das ist interessant, sind sie immer noch günstig bewertet. Ihr Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) liegt unter jenem des Gesamtmarktes. Gleiches gilt für unter die Räder gekommene Bankaktien, die teilweise ein einstelliges KGV zu Buche stehen haben, während jenes des S&P 500 immer noch bei mehr als 15 steht.
Agrar statt Amazon?
Klarerweise ist die große Marktverschiebung des Jahres 2022 auch bei den Analysten an der Wall Street nicht spurlos vorübergegangen. So haben die Investmentstrategen von Merrill Lynch und Bank of America in einer gemeinsamen Aussendung das Zeitalter von Faang 2.0 eingeläutet. Vorbei sei der große Technologieboom, ist darin zu lesen. Vielmehr führen der Ukraine-Krieg, die hohe Inflation und das Ende der Pandemie zu einer Umschichtung, die Anleger nicht verpassen sollten. Das Kürzel Faang stehe demnach für Brennstoffe (Fuels), Luftfahrt und Verteidigung (Aerospace & Defense), Landwirtschaft (Agriculture), Nuklearenergie und Rohstoffe wie Gold.
Abgesehen von den Ölfirmen haben demnach Nahrungsmittelund Agrarkonzerne wie ArcherDaniels-Midland (ADM) oder Rüstungsfirmen wie Lockheed Martin Kurspotenzial. Das in Chicago ansässige ADM hat seit Jahresbeginn rund ein Drittel an Wert gewonnen, während Lockheed Martin um ein Viertel zugelegt hat. Die große Umschichtung scheint also bereits voll im Gange zu sein.
Kleinanleger, die diversifizieren wollen, können und sollen selbstverständlich weiterhin auch auf Indexfonds setzen. Sie sollten aber bedenken, dass sie mit einem Indexfonds auf den S&P 500 schon einen bedeutenden Teil auf Firmen wie Apple und den Technologiesektor setzen. Es kann nicht schaden, deshalb vielleicht separat Aktien von anderen Firmen zu kaufen.