Wenn man Bitcoin hat, wozu dann Ethereum?
Nummer zwei. Viele Bitcoin-Fans blicken auf Ethereum herab. Doch hat es durchaus Vorzüge, sagt ein Experte.
Vitalik Buterin ist kein Milliardär mehr. Das tat der 28-jährige russisch-kanadische Softwareentwickler kürzlich auf Twitter kund. 2015 hat er Ethereum gegründet, mit einem Marktwert von 220 Mrd. Dollar heute die Nummer zwei unter den Kryptowährungen
nach Bitcoin (550 Mrd. Dollar). Buterin sprach über Zweifel und Fehler, womit er sich postwendend den Spott von Bitcoin-Fans einhandelte: Buterin habe wohl Angst, da alle Kryptoprojekte außer Bitcoin zum Scheitern verurteilt wären. Nein, sagte Buterin, Ethereum sei kein Fehler gewesen.
Angesichts der jüngsten Kursabstürze von Bitcoin, Ethereum & Co. sowie des spektakulären Scheiterns des Kryptoprojekts TerraLuna ist der Tonfall zwischen Bitcoin-Maximalisten (abfällig: „Maxis“) und Anhängern anderer Kryptowährungen (abfällig: „Shitcoiner“) härter geworden.
Bitcoin: Dezentral, limitiert
Bitcoin-Maximalisten finden, dass es nur ein dezentrales digitales Zahlungssystem brauche, und das sei Bitcoin. Alle anderen Projekte
seien nicht wirklich dezentral, auch wenn ihr Kassenbuch (Blockchain) dezentral verwaltet wird. Hinter allen stehe ein Gründer, eine Firma, eine Stiftung, auf die eine zentrale Instanz (Staat) Einfluss nehmen könnte. BitcoinGründer Satoshi Nakamoto ist hingegen nicht greifbar. Zudem gab es bei anderen Projekten meist ein „Pre-Mining“: Die Gründer sicherten sich selbst eine gewisse Menge digitaler Münzen, bevor sie das Projekt auf den Markt brachten.
Auch sei nur Bitcoin strikt limitiert: Mehr als 21 Millionen Einheiten
wird es nie geben. Die Herstellung von Bitcoin („Mining“) wird alle vier Jahre verlangsamt, somit wird Bitcoin immer knapper. Der Prozess heißt „Halving“.
Doch in Sachen Knappheit kann Ethereum mit Bitcoin mithalten, es wird bald sogar deflationär sein, sagt Krypto-Experte Ferdinand Regner, der seine Dissertation im Bereich Blockchain-Architektur schreibt und neben Bitcoin auch Ethereum einiges abgewinnen kann. Bei Ethereum gebe es zwar keine fixe Obergrenze wie bei Bitcoin. Doch stehe eine Umstellung
an, die als „Triple Halving“gesehen wird, weil sie auf die Knappheit ähnliche Auswirkung habe wie drei Bitcoin-Halvings: Die Belohnung, die Miner aktuell in der Kryptowährung Ether (ETH) erhalten, wird bald zur Gänze wegfallen: Im dritten Quartal werde Ethereum auf eine andere Konsensmethode (Proof of Stake) umstellen, für die man keine Miner mehr braucht, die Rechenoperationen durchführen, um Blöcke mit Transaktionen an die Blockchain anhängen zu dürfen. Diese Aufgabe übernehmen künftig Validatoren – Nutzer, die mit ihren Computern das Netzwerk betreiben und ETH sperren und bereitstellen („staken“). Wenn sie Blöcke anhängen, erhalten sie zwar neu geschaffene ETH als Belohnung, aber um 90 Prozent weniger, als bisher Miner bekamen. Gleichzeitig wird seit 2021 auch der Großteil der Transaktionsgebühren, die in ETH bezahlt werden, vernichtet. Ethereum wird so noch weiter verknappt und bei aktiver Nutzung sogar deflationär.
Die Kritik, dass „Proof of Stake“reiche, mächtige Akteure begünstige, findet Regner nicht völlig unberechtigt. Auf Ethereum treffe sie aber weniger zu als auf viele neue Blockchain-Projekte. Ethereum habe bereits sehr viele Validatoren, außerdem sei der Gründer, Vitalik Buterin, sehr zurückhaltend.
Ethereum: Viele Anwendungen
Zudem biete Ethereum auch Möglichkeiten, die über den reinen Zahlungsverkehr hinausgehen: Künstler können Kunstwerke verkaufen, Firmen Logistikketten nachverfolgen. Möglich sei das alles über „Smart Contracts“, kleine Programmschnipsel, die man auf die Ethereum-Blockchain aufsetzen kann und die dann allen zur Verfügung stehen. Der Kreativität seien da keine Grenzen gesetzt. Ethereum sei offener als Bitcoin, die Community politisch diverser, meint Regner. Und wenn Ethereum keinen Nutzen hätte, dann würden diese Möglichkeiten ja nicht genutzt werden.
In vielerlei Hinsicht sitzen Bitcoinund Ethereum-Fans aber im selben Boot. Sie erfahren Gegenwind durch die Notenbanken. EZB-Chefin Christine Lagarde hat sich kürzlich erneut für eine strengere Regulierung von Kryptowährungen ausgesprochen, die „nichts wert“wären – und vor denen sie die Menschen schützen will.