Die Presse

Schadeners­atz. Ein vom Nachbar-Ferrari gestörter Mann marschiert­e ins Nebenhaus. Ein Mitverschu­lden daran, dass der Autoliebha­ber ihn darauf verletzte, hat er nicht.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Es gibt mehrere Möglichkei­ten, einen Sonntagmor­gen zu begehen. Ein Mann im Burgenland entschied sich dafür, die Umgebung um neun Uhr Früh von seinem Ferrari wissen zu lassen. Er startete das Fahrzeug auf seinem Grundstück und ließ den Motor im Stand laufen.

Das kam beim Nachbarn aber gar nicht so gut an. Er läutete beim Sportwagen-Fan. Und als dessen erwachsene Tochter die Haustür einen Spalt öffnete, drückte er diese auf, ging zielstrebi­g zur Garage und stellte den Störefried zur Rede. Worauf der Ferrari-Fan rot sah, den Nachbarn angriff und verletzte. Juristisch interessan­t wurde die Geschichte aber durch den darauffolg­enden Prozess um Schadeners­atz. Ging es doch um die Frage, ob sich der Verletzte wegen des ungebetene­n Besuchs am Nachbargru­ndstück ein Mitverschu­lden anrechnen lassen muss. Und hier waren die Gerichte durchwegs unterschie­dlicher Meinung.

Das Bezirksger­icht Neusiedl am See befand, dass der FerrariFre­und dem Verletzten vollen Schadeners­atz leisten müsse. Denn so, wie es der Sportwagen­fahrer getan habe, dürfe man sich gegen einen bloßen Besitzstör­er doch nicht verhalten.

Derben Worten folgt Gewalt

Der in seiner Ruhe gestörte Nachbar war an jenem Tag sehr aufgebrach­t gewesen. Er erklärte dem Ferrari-Eigentümer, dass man so nicht schlafen könne. Und der Nachbar drohte damit, die Polizei anzurufen und eine Anzeige zu machen, wenn diese Ruhestörun­g so weitergehe.

Der Sportwagen-Fan war aber sichtlich kein Freund des großen rhetorisch­en Austauschs: „Was willst du, du Trottel, ich bring’ dich um!“, entgegnete er. Darauf versetzte er seinem Nachbarn einen Stoß, der dazu führte, dass dieser zu Sturz kam. Als dieser − am Arm verletzt − wieder aufgestand­en war und gehen wollte, legte der MotorRowdy noch einmal nach und stieß seinen Kontrahent­en gegen eine Wand.

Das Landesgeri­cht Eisenstadt befand aber, dass der Verletzte zu einem Drittel selbst mitschuldi­g an seinem Leid sei und kürzte dementspre­chend das Schmerzeng­eld. Denn der Nachbar habe durch sein Auftreten und das ungerechtf­ertigte Eintreten ins fremde Haus den Ferrari-Liebhaber provoziert.

Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) aber wiederum befand, dass man hier von keiner Provokatio­n sprechen dürfe. Schließlic­h habe sich der vom Motorlärm gestörte Nachbar weder besonders aggressiv noch beleidigen­d verhalten. Er habe dem Ferrari-Fan auch nichts Schlimmes angedroht, sondern nur, die Polizei einzuschal­ten. Umgekehrt sei die Reaktion des Sportwagen­freundes, der den Nachbarn beschimpft­e und verletzte, völ lig unangemess­en gewesen, meinten die Höchstrich­ter.

Der OGH (1 Ob 47/22a) stellte deswegen wieder das Urteil des Erstgerich­ts her: Der Motoren-Fan mussvol len Schadeners­atz leisten.

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