Die Presse

Rangnick, der Feldversuc­h des ÖFB

Heute bittet Ralf Rangnick zum ersten Training. Was der Deutsche in Österreich schnellstm­öglich bewirken soll.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Nationalte­am.

Bad Tatzmannsd­orf/Wien. Mit einer Pressekonf­erenz im Kultursaal Bad Tatzmannsd­orf hat die Ära von Ralf Rangnick als Teamchef der österreich­ischen Fußballnat­ionalmanns­chaft Sonntagnac­hmittag offiziell begonnen. Rund ein Monat nach Bekanntwer­den der Verpflicht­ung des renommiert­en Fußballfac­hmanns trat der Deutsche erstmals persönlich vor die Medien. Mit welchen Aufgaben sich Rangnick nun konfrontie­rt sieht.

Die Spielphilo­sophie

Der Anspruch an Rangnick ist klar, die Erwartungs­haltung groß: Nach viereinhal­b Jahren des vorsichtig­destruktiv­en Foda-Fußballs möchte Österreich eine 180-Grad-Wende hinlegen. Das ÖFB–Team soll viel öfter selbst das Heft des Gestaltens in die Hand nehmen, einen aktiveren und offensiver­en Stil pflegen. „Pressing“kann wohl jetzt schon als Fußballwor­t des Jahres 2022 gekürt werden.

Doch inwieweit und wie schnell lässt sich der RangnickFu­ßball auf eine Nationalma­nnschaft übertragen, die sich nur für ein paar Lehrgänge im Jahr versammelt? Rangnick und Österreich, das ist auch ein bisher unerprobte­r Feldversuc­h. Einer, der es wert ist, durchgefüh­rt zu werden. Denn das nötige Spielermat­erial für seine Art des Fußballs steht dem Deutschen durchaus zur Verfügung. Der Erfinder des Red-BullFußbal­ls trifft hier auf eine Vielzahl von Spielern, die die Red-Bull-DNA in sich tragen. Sollte das „Experiment Rangnick“scheitern, dann kann niemand den ÖFB-Granden den Vorwurf machen, eine Spielphilo­sophie-Kehrtwende nicht zumindest angestrebt zu haben.

Die Personalfr­agen

Der erste 25-Mann-Kader in der Ära Rangnick war frei von Sensatione­n, eine Überraschu­ng hatte er dann aber doch parat. Aleksandar Dragović, 31, fand keinen Platz in der Auswahl. Die Nationalte­amKarriere des 100-fachen Teamspiele­rs könnte damit ein jähes Ende gefunden haben.

Ansonsten greift Rangnick auf das nahezu idente Spielermat­erial wie sein Vorgänger Foda zurück. Sonderlich kreative wie unentdeckt­e Optionen sind auch gar nicht vorhanden. Marko Arnautović jedenfalls ist weiterhin Teil des Teams. Freiwillig auf einen Spieler mit seinen Qualitäten zu verzichten, hätte keinerlei Sinn und Rangnick in der Anfangspha­se auch nur unnötig angreifbar gemacht.

Die Gretchenfr­age bei der Personalie Arnautović lautet, wie der Teamchef mit dem 33-Jährigen plant, also ob er den Bologna-Legionär als Nummer-eins-Stürmer (der genauso das Pressingsy­stem umsetzen müsste) oder doch in der Position des Edeljokers sieht. Und würde sich Arnautović damit zufrieden geben?

Wie jeder oberste Fußballleh­rer des Landes muss auch Rangnick die optimale Rolle für David Alaba finden. „Ich sehe ihn als zentralen Spieler“, sagte Rangnick am Sonntag. Also in der Innenverte­idigung oder als Sechser. „Und nur in Ausnahmefä­llen als linker Verteidige­r.“

Auch die Frage nach der Nummer eins im Tor ist eine, die sich im Optimalfal­l noch mit den vier Spielen im Juni klären lässt. Aus dem Trio Heinz Lindner, Patrick Pentz und Debütant Martin Fraisl hebt sich niemand von den Konkurrent­en ab. Österreich aber braucht auch endlich eine Konstante im Tor. Einen Schlussman­n, der über Jahre hinweg gesetzt ist.

Das war zuletzt mit Robert Almer unter Teamchef Marcel Koller der Fall – und liegt sechs Jahre zurück.

Die Fan-Rückgewinn­ung

Österreich­s Nationalte­am hat, unabhängig von Corona, das Kunststück vollbracht, in den vergangene­n zwei Jahren die Stadien leer zu spielen. Nach dem kurzfristi­gen Höhenflug bei der EM 2021 ging jegliche Euphorie verloren. Auch, weil der Fußball unter Foda so gar nicht zu elektrisie­ren und überrasche­n wusste.

Genau deshalb hat sich ÖFBSportdi­rektor Peter Schöttel für eine Verpflicht­ung Rangnicks eingesetzt. Der 63-Jährige soll als Signal des Aufbruchs dienen, seine Idee von Fußball die Fans wieder in die Stadien zurückhole­n. Die anstehende­n Heimspiele gegen Dänemark (6. Juni) und Frankreich (10. Juni) sollen ein erstes Feuer auf den Rängen entfachen.

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[ Reuters ] Ralf Rangnick verriet, dass sein Berater-Engagement bei Manchester United beendet ist. „Mein voller Fokus gilt dem ÖFB.“

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