Geht es bei den Coronamasken um Schutz oder um Gehorsam?
Die Regierung will sich bestmöglich auf den Pandemie-Herbst vorbereiten. Ein paar neue, weniger weltfremde Berater wären ein guter Anfang.
Nach einer Schrecksekunde macht Österreich jetzt nach, was andere Länder schon vor Monaten getan haben: Das Coronaregime wird in die Sommerferien geschickt. Ab Mittwoch gilt die Maskenpflicht nur noch in Krankenhäusern und Seniorenheimen. In Supermärkten, Tankstellen, Trafiken und im öffentlichen Verkehr muss sich keiner mehr verhüllen. Nur Wien bleibt rigider, aber dafür ist der Bürgermeister verantwortlich, nicht das Virus.
Sehr wahrscheinlich wurde mit den jüngsten Lockerungen noch nicht das letzte Kapitel der Pandemiemaßnahmen geschrieben. Eine Pause ist trotzdem überfällig. Der Mummenschanz an der Feinkosttheke und im Tankstellenshop wirkte zuletzt schon reichlich absurd. Mich wundert auch, dass die Angestellten so lang mitgespielt haben. Es muss einen wirklich sehr verdrießen, wenn man den ganzen Tag lang unter einer FFP2-Barriere um Luft ringt – und in der Freizeit besichtigen kann, wie locker es in anderen Branchen zugeht.
Letztlich war es der Druck von Handelsvertretern und Gewerkschaftern, der Gesundheitsminister Johannes Rauch motivierte, weitgehende Normalität zu gestatten. Er selbst wirkte nicht glücklich mit der Entscheidung. Seine Berater waren und sind mehrheitlich auch dagegen. Thomas Czypionka, Gesundheitsökonom am Institut für Höhere Studien, fasste die Meinung der Kollegen zusammen: „Die Maske ist eine sehr gute und einfache Methode, um die Ausbreitung des Virus zu bekämpfen. Schafft man sie jetzt ab, ist es umso schwieriger, sie im Herbst wieder einzuführen.“Katharina Reich, Chefin der Gecko-Kommission, hatte sich vor Kurzem ähnlich ausgedrückt und mit der „sozialen Gewöhnung“für die Beibehaltung der Maskenpflicht geworben.
Wenn Sie mich fragen, sind das ziemlich jenseitige Wortmeldungen von Leuten, die rasch beleidigt sind, sobald man ihre wissenschaftliche Genialität anzweifelt. Eine Maßnahme soll nur aufrecht bleiben, weil sich die Betroffenen eh brav damit abgefunden haben? So ähnlich reden Milchbauern, wenn sie über die Umstellung von der Sommer- auf die Winterzeit klagen. Die Rituale im Kuhstall werden am besten nicht geändert. Das Rindvieh steht auf seine Gewohnheiten.
Die Regierung hat angekündigt, sich diesmal besser auf den Pandemie-Herbst vorzubereiten als in den zwei Jahren zuvor. Gute Idee. Der Gesundheitsminister könnte damit anfangen, in den Beraterstäben Leute zu installieren, die mit etwas weniger Herablassung auf das Volk blicken. Psychologische Grundkenntnisse könnten ebenfalls nicht schaden. Denn natürlich führen Willkür und Bestemm bei den Adressaten nicht zu freudvoller Gefolgschaft. Es läuft genau andersrum: Wenn man Menschen dazu zwingt, sinnlose Dinge zu tun, werden sie irgendwann auch den sinnvollen Anordnungen nicht mehr nachkommen.
Kaum jemand wird behaupten, dass die Maskenpflicht im Supermarkt, im Zug und an ein paar anderen Orten eine unzumutbare Brutalität darstellt. Klar kann man damit leben. Aber die Mühsal sollte irgendeinen erkennbaren Nutzen abwerfen – was derzeit offenbar nicht der Fall ist. Das ebenfalls gern gebrauchte Argument, die Gefahr müsse weiterhin „sichtbar“bleiben, ist genauso unbrauchbar wie der angebliche Gewöhnungseffekt. Wir befinden uns hier nicht in einer spieltheoretischen Anordnung, sondern im richtigen Leben.
Wenn man Menschen dazu zwingt, sinnlose Dinge zu tun, werden sie irgendwann den sinnvollen Anordnungen nicht mehr nachkommen.
Österreich war mit seiner Pandemiepolitik bisher nicht rasend erfolgreich. Im internationalen Vergleich eher harte Maßnahmen konnten nicht verhindern, dass es – wiederum im Vergleich zu anderen Ländern mit ähnlicher Ausgangslage – ziemlich viele Covid-Opfer gab. Die Fachleute müssten eigentlich wissen wollen, warum das so war und welche Einschränkungen überhaupt etwas gebracht haben. Von einschlägigen Studien hört man aber nichts. Auch daran mussten sich die Österreicher leider gewöhnen.
Morgen in „Quergeschrieben“: