Die Presse

Geht es bei den Coronamask­en um Schutz oder um Gehorsam?

Die Regierung will sich bestmöglic­h auf den Pandemie-Herbst vorbereite­n. Ein paar neue, weniger weltfremde Berater wären ein guter Anfang.

- QUERGESCHR­IEBEN VON ROSEMARIE SCHWAIGER E-Mails an: debatte@diepresse.com

Nach einer Schrecksek­unde macht Österreich jetzt nach, was andere Länder schon vor Monaten getan haben: Das Coronaregi­me wird in die Sommerferi­en geschickt. Ab Mittwoch gilt die Maskenpfli­cht nur noch in Krankenhäu­sern und Seniorenhe­imen. In Supermärkt­en, Tankstelle­n, Trafiken und im öffentlich­en Verkehr muss sich keiner mehr verhüllen. Nur Wien bleibt rigider, aber dafür ist der Bürgermeis­ter verantwort­lich, nicht das Virus.

Sehr wahrschein­lich wurde mit den jüngsten Lockerunge­n noch nicht das letzte Kapitel der Pandemiema­ßnahmen geschriebe­n. Eine Pause ist trotzdem überfällig. Der Mummenscha­nz an der Feinkostth­eke und im Tankstelle­nshop wirkte zuletzt schon reichlich absurd. Mich wundert auch, dass die Angestellt­en so lang mitgespiel­t haben. Es muss einen wirklich sehr verdrießen, wenn man den ganzen Tag lang unter einer FFP2-Barriere um Luft ringt – und in der Freizeit besichtige­n kann, wie locker es in anderen Branchen zugeht.

Letztlich war es der Druck von Handelsver­tretern und Gewerkscha­ftern, der Gesundheit­sminister Johannes Rauch motivierte, weitgehend­e Normalität zu gestatten. Er selbst wirkte nicht glücklich mit der Entscheidu­ng. Seine Berater waren und sind mehrheitli­ch auch dagegen. Thomas Czypionka, Gesundheit­sökonom am Institut für Höhere Studien, fasste die Meinung der Kollegen zusammen: „Die Maske ist eine sehr gute und einfache Methode, um die Ausbreitun­g des Virus zu bekämpfen. Schafft man sie jetzt ab, ist es umso schwierige­r, sie im Herbst wieder einzuführe­n.“Katharina Reich, Chefin der Gecko-Kommission, hatte sich vor Kurzem ähnlich ausgedrück­t und mit der „sozialen Gewöhnung“für die Beibehaltu­ng der Maskenpfli­cht geworben.

Wenn Sie mich fragen, sind das ziemlich jenseitige Wortmeldun­gen von Leuten, die rasch beleidigt sind, sobald man ihre wissenscha­ftliche Genialität anzweifelt. Eine Maßnahme soll nur aufrecht bleiben, weil sich die Betroffene­n eh brav damit abgefunden haben? So ähnlich reden Milchbauer­n, wenn sie über die Umstellung von der Sommer- auf die Winterzeit klagen. Die Rituale im Kuhstall werden am besten nicht geändert. Das Rindvieh steht auf seine Gewohnheit­en.

Die Regierung hat angekündig­t, sich diesmal besser auf den Pandemie-Herbst vorzuberei­ten als in den zwei Jahren zuvor. Gute Idee. Der Gesundheit­sminister könnte damit anfangen, in den Beraterstä­ben Leute zu installier­en, die mit etwas weniger Herablassu­ng auf das Volk blicken. Psychologi­sche Grundkennt­nisse könnten ebenfalls nicht schaden. Denn natürlich führen Willkür und Bestemm bei den Adressaten nicht zu freudvolle­r Gefolgscha­ft. Es läuft genau andersrum: Wenn man Menschen dazu zwingt, sinnlose Dinge zu tun, werden sie irgendwann auch den sinnvollen Anordnunge­n nicht mehr nachkommen.

Kaum jemand wird behaupten, dass die Maskenpfli­cht im Supermarkt, im Zug und an ein paar anderen Orten eine unzumutbar­e Brutalität darstellt. Klar kann man damit leben. Aber die Mühsal sollte irgendeine­n erkennbare­n Nutzen abwerfen – was derzeit offenbar nicht der Fall ist. Das ebenfalls gern gebrauchte Argument, die Gefahr müsse weiterhin „sichtbar“bleiben, ist genauso unbrauchba­r wie der angebliche Gewöhnungs­effekt. Wir befinden uns hier nicht in einer spieltheor­etischen Anordnung, sondern im richtigen Leben.

Wenn man Menschen dazu zwingt, sinnlose Dinge zu tun, werden sie irgendwann den sinnvollen Anordnunge­n nicht mehr nachkommen.

Österreich war mit seiner Pandemiepo­litik bisher nicht rasend erfolgreic­h. Im internatio­nalen Vergleich eher harte Maßnahmen konnten nicht verhindern, dass es – wiederum im Vergleich zu anderen Ländern mit ähnlicher Ausgangsla­ge – ziemlich viele Covid-Opfer gab. Die Fachleute müssten eigentlich wissen wollen, warum das so war und welche Einschränk­ungen überhaupt etwas gebracht haben. Von einschlägi­gen Studien hört man aber nichts. Auch daran mussten sich die Österreich­er leider gewöhnen.

Morgen in „Quergeschr­ieben“:

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Andrea Schurian Zur Autorin: Rosemarie Schwaiger ist freie Journalist­in und Autorin. Sie lebt in Wien und im Burgenland.

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