Wenn Pflegekräfte Beihilfe zum Suizid leisten sollen . . .
Gastbeitrag. Die Kompetenzerweiterung von Pflegefachkräften birgt auch Risiken.
Das jüngst vorgestellte Paket zur Attraktivierung des Pflegeberufs ist zurecht positiv aufgenommen worden. Der Gesetzgeber hat seine Pflicht erkannt, ausreichende und geeignete Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, um den steigenden Pflegebedarf zu decken. Mit der Pflicht, auch Fragen für die Pflegeleistenden im Zusammenhang mit dem Lebensende von Pflegebefohlenen zu regeln, verhält es sich allerdings anders.
Anfang des Jahres ist der Entwurf eines Hospiz- und Palliativfondsgesetzes im Nationalrat angenommen worden, das den Ländern Finanzmittel für den Ausbau dieses Bereichs zusagt. Jedoch löst die Finanzierung allein nicht alle Probleme, die sich im Hospiz- und Palliatvbereich für Pflegekräfte im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben ergeben können.
Konkret geht es darum, dass seit 1. Jänner Pflegekräfte auch damit konfrontiert sein können, dass Patienten ihre Unterstützung beim Suizid in Anspruch nehmen wollen. Unabhängig davon, dass keine Pflicht zur Erbringung dieser Leistung besteht, ist es für Betroffene in so einer Situation wichtig zu wissen, welche Handlungen gesetzt werden dürfen und welche nicht.
Da die Pflegereform auch eine Kompetenzerweiterung von Pflegefachkräften zur Verabreichung von subkutanen Injektionen und subkutanen Infusionen vorsieht, steigt auch der Bedarf nach klaren Vorgaben für Pflegefachkräfte, wie mit dem Wunsch nach Suizidbeihilfe umzugehen ist.
Erhöhtes Fehlerpotenzial
Die Pflegereform berücksichtigt nicht, potenzielle Suizidassistenten ausreichend davor zu schützen, bei der Erbringung oder Unterlassung damit verbundener Handlungen, Fehler zu machen. Die Kompetenzerweiterung zur Verabreichung von Injektionen erhöht das Fehlerpotenzial dramatisch. Deshalb wäre es notwendig zu berücksichtigen, dass Pflegefachassistenten
auch in die Situation kommen könnten, aus Unwissen ihre nun erweiterten Kompetenzen bei der Beihilfe zum Suizid rechtswidrig einzusetzen und dramatische Folgen zu riskieren.
Eindeutige Regeln fehlen
Den Schutz potenzieller Suizidassistenten mitzudenken, wird in Zukunft auch Pflicht des Gesetzgebers sein, wenn er Kompetenzen von Gesundheitsberufen erweitert. Aus den Berichten zu in Österreich bereits erfolgten Fällen des assistierten Suizids ergibt sich, dass die zuständigen Stellen sehr zurückhaltend reagieren, da die Handlungsspielräume nicht eindeutig geregelt sind.
Dies lässt aber sowohl die sterbewillige als auch helfende Person in einer unbefriedigenden Situation zurück, die sich durch klare und eindeutige Regeln wohl am zweckmäßigsten lösen ließe. Diese fehlen allerdings nach wie vor, da auch das mit 1.1.2022 in Kraft befindliche Sterbeverfügungsgesetz („StVfG“) sowie die Änderung der strafrechtlichen Vorschriften nicht sämtliche Unklarheiten ausräumen.
Dass es sich bei diesem Thema um eine sprichwörtliche „heiße Kartoffel“handelt, zeigt auch der Blick nach Deutschland, wo eine Regelung der Suizidbeihilfe seit Jahren nicht glücken will. Auch andernorts scheint nicht klar zu sein, was man als Suizidassistent darf und was nicht. So hat der Europäische Menschengerichtshof jüngst die Verurteilung eines Arztes in Dänemark wegen unzulässiger Beihilfe zum Suizid bestätigt. Der Arzt war der unrichtigen Ansicht, Ratschläge zur Begehung von Suizid zu erteilen, sei zulässig.
Die Unsicherheit, welche Pflichten den Suizidassistenten treffen, ist augenfällig groß. Es wäre wünschenswert, im Zusammenhang mit der Pflegedebatte auch dieses Thema mitzudenken.