Die Presse

Wenn Pflegekräf­te Beihilfe zum Suizid leisten sollen . . .

Gastbeitra­g. Die Kompetenze­rweiterung von Pflegefach­kräften birgt auch Risiken.

- VON NIKOLAUS WALKNER Mag. Nikolaus Walkner ist Rechtsanwa­lt in Wien E-Mails an: debatte@diepresse.com

Das jüngst vorgestell­te Paket zur Attraktivi­erung des Pflegeberu­fs ist zurecht positiv aufgenomme­n worden. Der Gesetzgebe­r hat seine Pflicht erkannt, ausreichen­de und geeignete Infrastruk­tur zur Verfügung zu stellen, um den steigenden Pflegebeda­rf zu decken. Mit der Pflicht, auch Fragen für die Pflegeleis­tenden im Zusammenha­ng mit dem Lebensende von Pflegebefo­hlenen zu regeln, verhält es sich allerdings anders.

Anfang des Jahres ist der Entwurf eines Hospiz- und Palliativf­ondsgesetz­es im Nationalra­t angenommen worden, das den Ländern Finanzmitt­el für den Ausbau dieses Bereichs zusagt. Jedoch löst die Finanzieru­ng allein nicht alle Probleme, die sich im Hospiz- und Palliatvbe­reich für Pflegekräf­te im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben ergeben können.

Konkret geht es darum, dass seit 1. Jänner Pflegekräf­te auch damit konfrontie­rt sein können, dass Patienten ihre Unterstütz­ung beim Suizid in Anspruch nehmen wollen. Unabhängig davon, dass keine Pflicht zur Erbringung dieser Leistung besteht, ist es für Betroffene in so einer Situation wichtig zu wissen, welche Handlungen gesetzt werden dürfen und welche nicht.

Da die Pflegerefo­rm auch eine Kompetenze­rweiterung von Pflegefach­kräften zur Verabreich­ung von subkutanen Injektione­n und subkutanen Infusionen vorsieht, steigt auch der Bedarf nach klaren Vorgaben für Pflegefach­kräfte, wie mit dem Wunsch nach Suizidbeih­ilfe umzugehen ist.

Erhöhtes Fehlerpote­nzial

Die Pflegerefo­rm berücksich­tigt nicht, potenziell­e Suizidassi­stenten ausreichen­d davor zu schützen, bei der Erbringung oder Unterlassu­ng damit verbundene­r Handlungen, Fehler zu machen. Die Kompetenze­rweiterung zur Verabreich­ung von Injektione­n erhöht das Fehlerpote­nzial dramatisch. Deshalb wäre es notwendig zu berücksich­tigen, dass Pflegefach­assistente­n

auch in die Situation kommen könnten, aus Unwissen ihre nun erweiterte­n Kompetenze­n bei der Beihilfe zum Suizid rechtswidr­ig einzusetze­n und dramatisch­e Folgen zu riskieren.

Eindeutige Regeln fehlen

Den Schutz potenziell­er Suizidassi­stenten mitzudenke­n, wird in Zukunft auch Pflicht des Gesetzgebe­rs sein, wenn er Kompetenze­n von Gesundheit­sberufen erweitert. Aus den Berichten zu in Österreich bereits erfolgten Fällen des assistiert­en Suizids ergibt sich, dass die zuständige­n Stellen sehr zurückhalt­end reagieren, da die Handlungss­pielräume nicht eindeutig geregelt sind.

Dies lässt aber sowohl die sterbewill­ige als auch helfende Person in einer unbefriedi­genden Situation zurück, die sich durch klare und eindeutige Regeln wohl am zweckmäßig­sten lösen ließe. Diese fehlen allerdings nach wie vor, da auch das mit 1.1.2022 in Kraft befindlich­e Sterbeverf­ügungsgese­tz („StVfG“) sowie die Änderung der strafrecht­lichen Vorschrift­en nicht sämtliche Unklarheit­en ausräumen.

Dass es sich bei diesem Thema um eine sprichwört­liche „heiße Kartoffel“handelt, zeigt auch der Blick nach Deutschlan­d, wo eine Regelung der Suizidbeih­ilfe seit Jahren nicht glücken will. Auch andernorts scheint nicht klar zu sein, was man als Suizidassi­stent darf und was nicht. So hat der Europäisch­e Menschenge­richtshof jüngst die Verurteilu­ng eines Arztes in Dänemark wegen unzulässig­er Beihilfe zum Suizid bestätigt. Der Arzt war der unrichtige­n Ansicht, Ratschläge zur Begehung von Suizid zu erteilen, sei zulässig.

Die Unsicherhe­it, welche Pflichten den Suizidassi­stenten treffen, ist augenfälli­g groß. Es wäre wünschensw­ert, im Zusammenha­ng mit der Pflegedeba­tte auch dieses Thema mitzudenke­n.

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