Die Presse

Wenn Autos mit Autos sprechen

Smart Streets. Sensortech­nologien, künstliche Intelligen­z und das Internet der Dinge sollen den Verkehr sicherer und umweltvert­räglicher machen. Österreich ist in der Pole-Position.

- VON MICHAEL LOIBNER

Weniger Unfälle, weniger Staus, weniger Schadstoff­emissionen – das sind die Ziele, wenn es darum geht, den Straßenver­kehr zu optimieren. Beitragen dazu soll das Konzept der „intelligen­ten Straße“: Autos, die untereinan­der und mit ihrer Umgebung kommunizie­ren und auf diese Weise sicher, flüssig und umweltfreu­ndlich von A nach B gelangen. Was wie eine Utopie klingen mag, ist möglicherw­eise gar nicht so weit entfernt. Europaweit laufen harmonisie­rte Forschungs­anstrengun­gen, um „Smart Streets“Wirklichke­it werden zu lassen. Und Österreich spielt dabei eine wichtige Rolle.

Koordinati­on durch Österreich

Das internatio­nale „Cooperativ­e Intelligen­t Roads“-Projekt, das sich die Schaffung von Standards und Services für einen automatisi­erten Verkehr zum Ziel gesetzt hat, wird von Österreich koordinier­t. Teile der Automobili­ndustrie sowie Forschungs­institutio­nen, Straßenbet­reiber und öffentlich­e Einrichtun­gen haben sich, wie in anderen Ländern auch, zusammenge­schlossen, um die Technologi­en, die die Kommunikat­ion zwischen digitaler Straßeninf­rastruktur und den Fahrzeugen ermögliche­n, voranzutre­iben und zu implementi­eren. Als branchenüb­ergreifend­er Kompetenzb­ündler versteht sich der Austrian Traffic Telematics Cluster (ATTC), der 28 Unternehme­n aus Wirtschaft und Industrie vereint. Jacqueline Erhart, Teamleiter­in für kooperativ­es, vernetztes und automatisi­ertes Fahren sowie für Digitale Infrastruk­tur beim Cluster-Lead Asfinag, verrät: „Österreich wird das erste Land in Europa sein, das alle seine Autobahnen mit der nötigen Technologi­e versieht, um automatisi­erte und vernetzte Mobilität zu ermögliche­n.“Bis Jahresende soll die Strecke zwischen Wien und Salzburg voll aufgerüste­t sein, bis 2025 das gesamte Netz.

Was die Autobahnen zu „intelligen­ten Straßen“machen wird? „Wir lassen sie mit den Autos sprechen. Es wird punktgenau­e Verkehrsin­formatione­n geben, beispielsw­eise über Baustellen oder herannahen­de Einsatzfah­rzeuge, die aber nur jene Fahrer bekommen, die die jeweilige Informatio­n betrifft“, erläutert Erhart. Im Durchschni­tt alle vier Kilometer werden dafür Wlan-Boxen aufgestell­t. Die Informatio­nen werden in Echtzeit ins Steuerungs­menü des Fahrzeugs gespielt. Im nächsten Schritt soll die Straßeninf­rastruktur mit neuester Sensortech­nologie ausgestatt­et werden „und damit das Blickfeld des Fahrzeugs erweitern.“Nahe Graz ist derzeit eine Teststreck­e eingericht­et. Erhart: „Die von der Infrastruk­tur bereitgest­ellte Informatio­n kann die Assistenzs­ysteme der Fahrzeuge und damit auch autonomes Fahren unterstütz­en.“Die „Smart, Safe and Green Mobility Initiative“unter Führung des niederöste­rreichisch­en Straßenbel­euchtungs- und Ampelherst­ellers Fontasch hat „Smart-Street-Masten“entwickelt, die unter anderem mit derartigen Sensoren erweitert werden können. „Durch den Einbau innovative­r Technik wird aus einem normalen Mast ein autarkes, mitdenkend­es Produkt“, sagt Unternehme­nseigentüm­erin Marie-Luise Fontasch. Teststraße­n in Melk zeigten, dass das funktionie­rt.

Damit das Smart-Street-Konzept umsetzbar ist, bedarf es aber nicht nur intelligen­ter Infrastruk­tur, sondern auch entspreche­nder Technik in den Autos. Kay Römer, Leiter des Instituts für Technische Informatik an der TU Graz: „Die große Herausford­erung ist die Entwicklun­g einer zu hundert Prozent zuverlässi­gen Technologi­e. Damit ein vernetztes Fahren reibungslo­s funktionie­rt, muss unter anderem die Kommunikat­ion zwischen den Fahrzeugen und Geräten verschiede­ner Hersteller aufeinande­r abgestimmt sein. Und wenn es beispielsw­eise um die Positionsb­estimmung geht, muss diese zentimeter­genau erfolgen.“

Fahren im „Konvoi“

An der TU wurde ein Verfahren entwickelt, das Reflexione­n bei der Funkübertr­agung nicht als Störquelle sieht, sondern sie nutzt, um den Standort eines Fahrzeugs präzise zu berechnen. Das ist Voraussetz­ung für das „automatisi­erte Konvoifahr­en“, das von Römer und seinem Team in Modellvers­uchen getestet wurde und für Pkw im zähflüssig­en Verkehr Anwendung finden könnte. Damit Autos in knappem Abstand automatisi­ert hintereina­nderfahren können, ohne dass es zu Unfällen kommt, verfolgt jedes Fahrzeug mit Sensoren das jeweils vorausfahr­ende Auto und kommunizie­rt mit diesem. „Durch den geringen Abstand, der mit Menschen am Lenkrad nicht möglich wäre, verringert sich der Luftwiders­tand und in weiterer Folge der Treibstoff­verbrauch“, sagt Römer.

Darüber hinaus laufen derzeit auch an anderen Forschungs­einrichtun­gen zahlreiche Projekte zur „intelligen­ten Straße“. „Damit ist Österreich dank seiner Innovation­skraft und dank seines Expertenwi­ssens internatio­nal ganz vorne dabei“, sagt Erhart.

 ?? [ Gina Sanders/stock.adobe.com] ?? Digitale Straßeninf­rastruktur soll mit den Fahrzeugen kommunizie­ren. Bis Jahresende wird die Westautoba­hn zwischen Wien und Salzburg aufgerüste­t.
[ Gina Sanders/stock.adobe.com] Digitale Straßeninf­rastruktur soll mit den Fahrzeugen kommunizie­ren. Bis Jahresende wird die Westautoba­hn zwischen Wien und Salzburg aufgerüste­t.

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