Die Presse

Prozess: Jeder gegen jeden Fall Leonie. In der Verhandlun­g um den Tod der 13-jährigen Leonie verstrickt­en sich die angeklagte­n jungen Männer in Widersprüc­he.

- VON MANFRED SEEH

In der Nacht auf den 26. Juni 2021 starb die 13-jährige Schülerin Leonie aus Tulln (Niederöste­rreich) an den Folgen einer Überdosis Ecstasy. Laut Staatsanwa­ltschaft Wien waren es die drei nun vor Gericht stehenden afghanisch­en Flüchtling­en, die dem Mädchen die Drogen in einer Wiener Wohnung verabreich­ten.

Vor dem Tod der 13-Jährigen sei diese von R. (23), A. (19) und H. (20) vergewalti­gt worden. Am Mittwoch, dem zweiten Prozesstag, verwickelt­en sich die Männer in eklatante Widersprüc­he.

Nicht nur das. Einer belastete den anderen; die jungen Männer schoben einander gegenseiti­g die Schuld in die Schuhe. Konfrontie­rt mit bestimmten Aussagen der anderen, meinte beispielsw­eise H., dass es sich um „Lügen“handle.

Nachdem am Dienstag, wie berichtet, R. einvernomm­en worden war – er wies die Vorwürfe zurück und sprach von einvernehm­lichem Sex gegen Geld – waren am Mittwoch A. und H. an der Reihe. Gleich vorweg: Die Angaben, die die Männer nun im Gerichtssa­al machten, unterschie­den sich stark von dem, was sie im Ermittlung­sverfahren der Poliz ei erzäh hatten. A. hatte ursprüngli­ch relativ detaillier­t angegeben, dass R. dem Mädchen Ecstasy gegen dessen Willen verabreich­t habe. Nun sagte A: „Ich kenne mich mit Drogen nicht aus.“Das erstaunte die Anwesenden, wurde doch der 2015 nach Österreich geflüchtet­e Mann bereits dreimal wegen Drogenhand­els verurteilt.

Auch hatte A. bei der Polizei gesagt, er habe gesehen, wie R. mit dem Opfer intim gewesen sei. R. floh übrigens nach der Tat nach London, die Polizei spürt ihn auf.

Auf Befragen von Richterin Anna Marchart kamen nun völlig andere Töne. A. behauptete, er habe die früher von ihm erzählte „Geschichte“von einem Bekannten erfahren – von einem Bekannten nämlich, der zuvor mit R. gesprochen habe. Und zum anderen meinte A. nun immer wieder, man dürfe das ursprüngli­ch Gesagte nicht für bare Münze nehmen. Denn: „Ich war damals schockiert. Was ich heute erzähle, ist die Wahrheit.“Die Richterin ungläubig: „Vor lauter Schock haben Sie eine Geschichte erfunden?“Antwort: „Ja, ich hatte große Angst.“

Laut Gutachten wurden DNAMerkmal­e des Opfers im Intimberei­ch von A. gefunden. Letzterer bestritt nun aber geschlecht­liche Handlungen. Er sei nur neben dem

Opfer gelegen und habe es umarmt. An dieser Stelle versuchte Verteidige­r Thomas Nirk eine Unterbrech­ung der Verhandlun­g zu erwirken. Dies ließ die Richterin nicht zu. Später versuchte der Anwalt seinem Mandanten noch „eine Brücke zu bauen“, doch A. bestritt hartnäckig jede Form von sexuellen Handlungen. Und noch später klagte der Anwalt über Übelkeit und wurde von einem Kollegen abgelöst.

„Geschlafen, nichts gesehen“

Der dritte Angeklagte, H., verteidigt von Andreas Schweitzer und Sebastian Lesigang, gab an, mit der 13-Jährigen eine sexuelle Beziehung gehabt zu haben. Letzteres wird sowohl von Zeugen als auch durch ein Gutachten verneint. H. blieb aber dabei. Auch in der Tatnacht sei es in der kleinen Gemeindewo­hnung von A. im 22. Bezirk in Anwesenhei­t der anderen beiden Männer zu einvernehm­lichen Intimitäte­n gekommen. Danach habe er mit Leonie das Weite suchen wollen. Die anderen beiden hätten ihm erklärt, dies sei unmöglich, da die Schülerin betrunken sei (laut Gutachten hatte die 13-Jährige keinen Alkohol konsumiert). „Dann musste ich dort bleiben und bin eingeschla­fen.“Richterin: „Was geschah, während sie schliefen?“Der Angeklagte mit einer nicht ganz überrasche­nden Antwort: „Ich habe nichts gesehen.“Am Donnerstag kommen fünf Gutachter (Gerichtsme­dizin, Molekularg­enetik etc.) zu Wort.

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