Wenn das Heizen im Büro zu teuer wird
Arbeitsrecht.
Dürfen Firmen im kommenden Winter die Heizung zurückdrehen – oder die Leute ins Home-Office schicken, um sich Heizkosten zu ersparen? Das ist nicht die einzige Frage, die nun auf Unternehmen und Beschäftigte zukommt. WIRTSCHAFTS RE©HT VON CHRISTINE KARY diepresse.com/wirtschaftsrecht
Wien. Was haben die horrenden Energiekosten mit dem Arbeitsrecht zu tun? Weitaus mehr, als man vielleicht annehmen würde. Vom Heizen über die Kochplatte in der Kaffeeküche bis zum Aufladen mobiler Geräte: All das war in den meisten Betrieben bisher kaum ein Thema – was sich nun jedoch rasch ändern könnte.
1 Im Büro die Heizung zurückdrehen – dürfen Arbeitgeber das?
Dafür gelten die Regeln der Arbeitsstättenverordnung. Für Tätigkeiten mit „geringer“körperlicher Belastung sind demnach 19 bis 25 Grad vorgesehen. Bei „normaler“körperlicher Belastung reichen 18 bis 24 Grad, bei „hoher“Belastung müssen es mindestens zwölf Grad sein. 19 Grad im Büro reichen also grundsätzlich. Auch aus bisher üblichen, höheren Temperaturen sei wohl keine „betriebliche Übung“abzuleiten, auf die Angestellte pochen könnten, sagt Rechtsanwalt Walter Pöschl, Partner bei Taylor Wessing, zur „Presse“. Ohne den Arbeitgeber zu fragen, dürfen Dienstnehmer dann z. B. auch keine privaten Heizstrahler anstecken. Aber: Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht und
Beschäftigte ein Recht auf Gesundheitsschutz. In Einzelfällen kann sich daraus dann doch die Notwendigkeit ergeben, die Heizung etwas höher zu stellen.
2 Und was gilt, falls die Energieversorgung unterbrochen wird?
Wer im Betrieb eine Gasheizung hat, sollte sich eine rasch verfügbare Alternative z. B. fürs Heizen mit Strom überlegen, für den Fall, dass die Gasversorgung ausfällt. Sinkt die Raumtemperatur unter die Mindestwerte und lässt sich das nicht rasch beheben, „muss man die Leute heimschicken“, sagt Pöschls Kanzleikollege Peter Lohberger. Kann über einen längeren Zeitraum gar nicht gearbeitet werden – auch nicht im Home-Office –, könne jedoch auch die Pflicht zur Entgeltfortzahlung wegfallen, wenn der Verhinderungsgrund der „allgemeinen Sphäre“zuzuordnen ist.
3 Muss in Waschräumen Warmwasser zur Verfügung stehen?
Nur kaltes Wasser zum Händewaschen: In öffentlichen Gebäuden in Deutschland ist das Realität. In Österreich gibt es (noch?) keine derartige Energiespar-Pflicht. Und ganz generell müssen laut ArbeitnehmerInnenschutzgesetz „geeignete Waschgelegenheiten mit hygienisch einwandfreiem, fließendem und nach Möglichkeit warmem Wasser“zur Verfügung stehen. Was freilich bedeutet, dass „es per se nicht immer Warmwasser geben muss“, sagt Lohberger. Streiten kann man jedoch darüber, was „nach Möglichkeit“heißt: Stellt das nur auf technische Gegebenheiten ab oder auch auf wirtschaftliche Leistbarkeit? Sinnvoll seien jedenfalls – wie überhaupt beim Thema Energiesparen – rechtzeitige Gespräche mit den Mitarbeitern bzw. dem Betriebsrat, sagt Lohberger.
4 Mittagessen kochen oder Handy laden – darf man das noch?
„Einrichtungen zum Wärmen und Kühlen von mitgebrachten Speisen und Getränken“muss es laut ArbeitnehmerInnenschutzgesetz im Betrieb geben, eine Kochgelegenheit nicht. War das langjähriger Usus, könnte jedoch eine betriebliche Übung entstanden sein. „Nur stellt sich dann die Frage, ob sich die Geschäftsgrundlage geändert hat“, sagt Pöschl – dann ließe sich auch wieder davon abgehen. Ähnliches gilt fürs bisher stillschweigend erlaubte Laden von privaten E-Autos auf dem Firmenparkplatz. Das Laden des Privathandys im Büro ist wegen der geringen Kosten eher ein Grenzfall. Diensthandys etc. am Arbeitsplatz aufzuladen muss aber jedenfalls möglich sein.
5 Und wenn das Heizen im HomeOffice zu sehr ins Geld geht?
Leicht möglich, dass sich beim Home-Office Prioritäten verschieben – und Arbeitgeber sich plötzlich dafür begeistern, während
Dienstnehmer zurück ins Büro wollen, statt den ganzen Tag daheim zu heizen. Home-Office kann jedoch weder einseitig angeordnet werden, noch können Dienstnehmer Home-Office-Vereinbarungen von heute auf morgen, ohne Einhaltung der Kündigungsfrist, einseitig beenden. Einigt man sich indes auf einen Heizkostenzuschuss der Firma fürs Home-Office, „sollten Dienstgeber darauf achten, dass dieser problemlos widerrufbar ist, wenn die Energiekosten wieder sinken“, sagt Lohberger.
6 Arbeitszeiten an die Energieverfügbarkeit anpassen – geht das?
Mit dem Vorschlag, Arbeit in die Nacht und aufs Wochenende zu verlagern, um Energieengpässe zu vermeiden, ließ kürzlich der Schweizer Wirtschaftsverband Economiesuisse aufhorchen. „In Österreich brauchte es dazu Anpassungen des Rechts und der Kollektivverträge“, sagt Rechtsanwältin Katharina Körber-Risak zur „Presse“. So müssten temporäre Ausnahmen vom Verbot der Sonntagsarbeit geschaffen bzw. bestehende Ausnahmen ausgeweitet werden. „Und da müsste man dann wohl auch über Geld reden.“Was die Frage aufwirft, ob es nicht zu teuer würde – selbst wenn die Strompreise zu diesen Zeiten niedriger sind. Sinnvoll wäre es dennoch, solche Krisenmodelle zu schaffen, „damit Unternehmen, in denen man sich darüber einig wird, das überhaupt dürfen“, meint die Anwältin.