Fassbinders Tränen fließen wieder
Kino. Fran¸cois Ozon erweist mit „Peter von Kant“seinem Idol Rainer Werner Fassbinder Reverenz. Aus lesbischen Frauen werden schwule Männer. Eine etwas zu brave Hommage.
Eine mit Filmstills dekorierte Atelierwohnung im Köln des Jahres 1972: Hier lebt Regie-Titan Peter von Kant (Denis Mé nochet) samt Sekretär Karl (Sté fan Crépon). Der optimiert die Drehbücher seines Bosses, holt ihn morgens aus dem Bett, organisiert die wenigen verbliebenen Termine. Zum Dank wird er gehalten wie ein Leibeigner. Doch aller Sadomaso-Extravaganz zum Trotz ist offensichtlich: Von Kants Karriere hat ihren Zenit überschritten. Zudem ist die Beziehung mit seinem Liebhaber Franz gescheitert – und die emotionale Verwahrlosung entsprechend fortgeschritten.
Das ändert sich, als ihn seine Freundin und Ex-Muse Sidonie (Isabelle Adjani) besucht, der er einst zum Diven-Status verholfen hat. Über sie lernt er den jungen Amir (Khalil Gharbia) kennen – und verführt den aus armen Verhältnissen kommenden Beau mit tragischem familiären Hintergrund bald routiniert. Er lässt ihn bei sich einziehen, macht ihn zum Zentrum eines neuen Films, baut ihn zum Star auf. Doch neun Monate später, als von Kants Pygmalion-Arbeit getan ist, betrügt und verspottet ihn sein Geschöpf – um ihn schließlich zu verlassen. Von Kant verfällt in Alkoholismus, Koks und Selbstmitleid. Aber er hat immer noch genug destruktive Energie, um sie an Tochter Gabrielle (Aminthe Audiard), seiner Mutter (Hanna Schygulla), Sidonie und Karl auszulassen.
Ein Déja`-vu: Szene für Szene reinszeniert Vielfilmer François Ozon in „Peter von
Kant“das Melodram „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“seines Idols Rainer Werner Fassbinder. Dieser hatte den Stoff 1972 als kammerspielhafte Adaption seines eigenen Theaterstücks verfilmt, unter anderem mit der damals 28-jährigen Hanna Schygulla. Obwohl bei ihm alle Charaktere weiblich sind, geht es Fassbinder weniger um Homosexualität als um Aspekte der Wechselbeziehung von Liebe, Begehren, Macht und Abhängigkeit. Er seziert sie in einer radikal stilisierten Versuchsanordnung. Fassbinders Film war wegen seiner auf manche kitschig wirkenden Künstlichkeit umstritten – heute gilt er als frühes Meisterwerk des Regisseurs.
Me´nochet mutiert zu Fassbinder
Vor allem die autobiografischen Bezüge in der Figurenkonstellation, die auf die Filmfamilie Fassbinders und seine eigene Rolle in deren Produktions- und Machtverhältnissen zurückverweisen, hat Ozon nun in seiner Bearbeitung in den Fokus rücken wollen. Dafür hat er sich zum einen entschieden, die Frauen der Vorlage durch männliche Protagonisten zu ersetzen. Zum anderen verweist Hauptdarsteller Denis Ménochet mit seinem körperbetonten Spiel deutlich auf Fassbinder selbst, dessen überliefertem Verhalten und Äußerem er sich im Verlauf der Handlung immer stärker annähert.
Neben der Besetzung Hanna Schygullas als Mutter des in Selbstherrlichkeit ertrinkenden Mannes gibt es weitere liebevolle Verweise auf Fassbinders Werk – etwa, wenn Isabelle Adjani auf Deutsch singt: „Jeder tötet, was er liebt“. Der Text stammt aus einem Oscar-Wilde-Gedicht und kam schon in der Filmmusik von Fassbinders letztem großen Wurf „Querelle“zum Einsatz. Aus diesem stammen auch weitere ästhetische Elemente von Ozons Remake – vor allem der Einsatz des Lichts, das die Szenerie durchgängig in Rot- und Blautöne taucht.
So funktioniert „Peter von Kant“als (stark verkürzte) Verbeugung vor dem großen Vorbild gut. Als inhaltliche Aktualisierung oder gar Weiterführung taugt er jedoch kaum. Dafür bleibt er zu sehr den Oberflächenreizen verhaftet, die er brav der 50 Jahre alten Vorlage nachbildet. Die scheiternde toxische Männlichkeit, von der er vorgeblich erzählt, nimmt er jedoch nicht ernst genug, um Neues über sie zu sagen.