Die Presse

„Die Kirchen hat er nur aufgeschob­en“

-

In den „Tischgespr­ächen“sagte Hitler: „In der Jugend“habe er das Christentu­m für „Dynamit“gehalten, „später sah ich ein: Es muss abfaulen wie ein brandiges Glied“. Aber nach dem „Endsieg“hätte er sich ganz klar die Kirchen vorgenomme­n. Das hat er aufgeschob­en, um nicht an zu vielen Fronten zugleich zu kämpfen.

Primitiv war auch die „Lebensraum“Forderung. Seit Jahrhunder­ten weiß die Nationalök­onomie, dass erfolgreic­he Volkswirts­chaften von globaler Arbeitstei­lung profitiere­n: hochwertig­e Güter ausführen und Lebensmitt­el einführen. Deshalb braucht man keine „Weideplätz­e im Osten“mehr, wie zuzeiten der Völkerwand­erung. Hat Hitler das nicht verstanden?

Kooperiere­n war für ihn ein Schreckges­penst. Er wollte Autarkie, um den Gegner bekämpfen zu können, ohne von ihm abhängig zu sein. Und es ging natürlich um Geopolitik: Deutschlan­d sollte eine Weltmacht werden.

Wie sollte die Welt in Hitlers Vision nach dem „Endsieg“und einer Ausrottung der Juden aussehen?

Für alle anderen ist Kampf ein Mittel, für Hitler der Zweck. Auch wer einen Sieg errungen hat, darf sich nicht ausruhen, sonst kommen andere, die stärker sind. Deshalb der „Nerobefehl“, als sich die Niederlage abzeichnet­e: Die Deutschen hatten versagt, sie waren nicht das bessere Volk, deshalb sollten sie untergehen.

Kämpfen, immer weiter kämpfen: War also Krieg die einzige Weltanscha­uung des Nationalso­zialismus?

Es ging Hitler auch um den individuel­len Lebenskamp­f, gegen eigene Schwächen. Aber der Krieg war für ihn die existenzie­llste Form des Kampfes. Insofern: ja.

Newspapers in German

Newspapers from Austria