„Putins Koch“tritt aus dem Schatten
Krieg. Warum die berüchtigte Gruppe Wagner und ihr Gründer, Jewgeni Prigoschin, plötzlich das Rampenlicht suchen.
Der als „Putins Koch“bezeichnete Oligarch Jewgeni Prigoschin bekannte sich kürzlich dazu, der Gründer der Gruppe Wagner zu sein. Bis dahin bestritt er jegliche Beteiligung an der privaten Militärfirma, er verklagte sogar russische Journalisten, obwohl zahlreiche Recherchen seine Verbindung zu Wagner nachweisen konnten.
Auch die Gruppe Wagner trat zuletzt vermehrt ins Rampenlicht des Ukraine-Krieges. Einerseits, weil die russischen Streitkräfte zunehmend von den Personalressourcen der Militärfirma abhängig waren und sich deren Rekrutierungsnetzwerken bedienten, andererseits, weil Prigoschin als Besitzer der Gruppe in der Öffentlichkeit auftrat. Sei es bei der Inspektion von Einheiten in der Ukraine (wo er knapp einem Angriff auf ein Kommandozentrum entkam) oder in Russland selbst, als er in Gefängnissen neue Rekruten anwarb und im Namen Moskaus Straffreiheit nach sechs Monaten Kriegsdienst versprach. Zuletzt kursierte in einschlägigen Telegram-Kanälen auch eine Meldung, in der er berichtete, dass sein Sohn nach dem Militärdienst selbst in den Reihen der Gruppe Wagner kämpfe und für seine Taten bereits das schwarze Kreuz, den Orden der Gruppe, erhalten habe. (Kurz zuvor war der Sohn des Pressesprechers Putins vom Nawalny-Team öffentlich zur Schau gestellt worden, da er sich einer Mobilisierung entziehen wollte.)
Teil der Popkultur
Nicht nur diese Auftritte demonstrieren die Wandlung zur öffentlich bekannten und teils auch zelebrierten Organisation. Mittlerweile ist die Militärfirma Teil der Popkultur, mit Actionfilmen über ihre Aktivitäten in Afrika, Musikvideos zur Rekrutierung für den Kampf in der Ukraine und großflächigen Werbeplakaten in Russland. Sogar Emojis in TelegramChats weisen auf die Gruppe Wagner hin. Dabei inszeniert sie sich stets als professionellere Alternative
zur russischen Armee. Prigoschin selbst zeichnet ein idealisierendes Bild seiner Ambitionen. Er habe 2014 – wie viele andere Geschäftsmänner – sein Geld für die Unterstützung von „Kosaken“(ein russischer Spitzname für freiwillige Kämpfer) verwenden wollen, entschloss sich dann aber, seine eigene Firma zu gründen. Dabei habe er selbst Waffen und Ausrüstung geputzt und Spezialisten zu Hilfe geholt. Nun sei er stolz, dass seine „Helden“nicht nur Russlands Interessen verteidigten, sondern auch die Bevölkerung Syriens und afrikanischer Länder.
Diese Schritte ins Rampenlicht – weg von der bisher gelebten Abstreitbarkeit, die der Gruppe den Ruf einer Schattenarmee einbrachte – zeigen nicht nur die enge Verbindung der Militärfirma zur russischen Armee und zum Militärnachrichtendienst GRU. Sie demonstrieren auch ein neues Selbstbewusstsein der Gruppe Wagner, deren Kämpfer bisher als entbehrliches Kanonenfutter dienten und aufgrund der Rechtslage in Russland de facto jederzeit das Damoklesschwert einer strafrechtlichen Verfolgung über sich hängen hatten.
Letzteres wurde von Experten immer als machtvolles Druckmittel interpretiert, um die Militärfirma zu kontrollieren. Mittlerweile sind die Söldner der Firma bei Weitem nicht mehr so entbehrlich (auch wenn sie nach wie vor im Krieg „verheizt“werden). Tatsächlich hat sich Russland in ein Abhängigkeitsverhältnis zur Gruppe Wagner und zu Prigoschin manövriert. Gleichzeitig ist die Zusammenarbeit und Koordination mit der russischen Armee dermaßen ausgebaut worden, dass im Großen und Ganzen gar nicht mehr von einer privaten Militärfirma, sondern vielmehr von einer paramilitärischen Organisation des russischen Staates gesprochen werden muss.
Mag. Dr. phil. David Christopher Jaklin