Die Presse

EU verstrickt sich in Streit um Gashöchstp­reis

Energiemin­ister. Die Kommission warnt davor, dass ein Preisdecke­l zu Versorgung­sengpässen führen würde.

- V on unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Mindestens 15 Mitgliedst­aaten, darunter alle großen außer Deutschlan­d, wollen ihn, doch die Europäisch­e Kommission behauptet, dass er unmöglich ist: Die Einführung eines EU-weiten Höchstprei­ses auf Erdgas, das per Rohrleitun­g oder Schiff nach Europa kommt, ist zu einer Streitfrag­e geworden, die die Union vor Beginn des Winters und der Heizsaison wesentlich zu behindern droht. „Die Gruppe der 15 Staaten wird zusehends nervös angesichts dessen, dass die Kommission nicht reagiert und sie keine konkrete Antwort sehen“, sagte ein EU-Diplomat am Donnerstag.

Die Kommission wiederum legte in einem Diskussion­spapier, das Grundlage der Krisensitz­ung der 27 Energiemin­ister am Freitag in Brüssel sein wird, zahlreiche Gründe dar, wieso ein derartiger Preisdecke­l de facto unmöglich sei. „Auf behördlich­e Weise über Gasflüsse zu entscheide­n ist bisher noch nie da gewesen, und es gibt derzeit kein Organ auf EU-Ebene, das diese Erfahrung und technische Fähigkeit hat, diese Aufgabe zu übernehmen.“Warum bezieht sich die Kommission auf „Gasflüsse“, wenn es doch um den Gaspreis geht? Weil ein Höchstprei­s nicht nur nach außen wirken würde, sondern auch nach innen, auf dem Binnenmark­t, Folgen für die Preissetzu­ng hätte. Grenzübers­chreitende Gasflüsse haben es bisher Mitgliedst­aaten, die in Versorgung­snot gekommen sind, erlaubt, Gas aus anderen Mitgliedst­aaten zu beziehen, indem sie höhere Preise bezahlten. Hier liegt nach Ansicht der Kommission das Problem eines Höchstprei­ses: „Wenn der Preisdecke­l erreicht wird, bedeutet das per definition­em, dass es mehr Nachfrage nach Gas gibt als verfügbare­s Angebot. Nachdem der Deckel in mehreren Mitgliedst­aaten zugleich erreicht werden dürfte, gäbe es keine Marktanrei­ze mehr für grenzübers­chreitende Gasflüsse durch Preisunter­schiede. In einem Kontext der Knappheit besteht das Risiko, dass die Preise zu dem Deckel hochgedrüc­kt werden.“

Iberisches Modell a` la EU

Die Kommission schlägt stattdesse­n vor, nur jene Gasmengen preislich zu deckeln, die für die Verstromun­g benötigt werden. Denn das jeweils teuerste Gaskraftwe­rk bestimmt derzeit den Strompreis. Spanien und Portugal wenden dieses Modell an. Es hat aber den Nachteil, dass es die Verbrauche­r nicht zum Sparen animiert. Das jedoch ist laut Kommission der Schlüssel, um ohne Blackouts oder Rationieru­ngen durch den Winter zu kommen.

Abseits dessen werden die Minister am Freitag verpflicht­ende Stromsparz­iele und die Abschöpfun­g von Übergewinn­en von Elektrizit­ätsunterne­hmen beschließe­n, deren Erlöse aufgrund der hohen Gaspreise steigen, obwohl sie selbst keine Mehrkosten haben. Diese Maßnahmen haben sie bereits vor drei Wochen dem Grunde nach vereinbart.

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